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"Sie können sich Ihre Leichen in den Arsch stecken." Peter Handke (angeblich)

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"You can stick your corpses up your ass!" soll Peter Handke gesagt haben, als Kritiker ihn auf die Leichen in Sarajewo hinwiesen. Aber diese Anekdote ist erfunden.

Mit diesem Pseudo-Zitat wird  Peter Handke als nicht nobelpreiswürdig und als Apologet von Kriegsverbrechen hingestellt. Wer so über Ermordete redet, verdiente in der Tat keine Auszeichnung.

Zum ersten Mal unterschoben wurde ihm dieser Satz anscheinend im SPIEGEL am 29. März 1999:

  • "Handke-Kritiker seien 'debil' oder 'durchgedreht', und auf Widerspruch bei öffentlichen Diskussionen beschied er knapp: 'Sie können sich Ihre Leichen in den Arsch stecken.'"
    Peter Stolle: "Maulwerker ahoi", Der Spiegel, 29. März 1999 spiegel.de

Ein paar Tage später taucht das Zitat in einer erweiterten Anekdote in The Irish Times auf:

  • "In the course of his attack on Western coverage of the Balkan conflict, Handke accuses the Bosnians of staging market massacres in Sarajevo and casts doubt on the murder of Muslims at Srebrenica. When critics pointed out that the victims' corpses provided evidence of Serb atrocities, the writer replied: "You can stick your corpses up your arse."
    "Serbia's eloquent ally",  The Irish Times, 3. April 1999 irishtimes.com/news/serbia-s-eloquent-ally-1.170173 

Seit der Ankündigung der Nobelpreisverleihung an Peter Handke wird diese Anekdote öfters im Internet zitiert, am 15. Oktober 2019 auch in der New York Times von dem von mir sehr geschätzten Autor Aleksandar Hemon (Link).

Entstanden ist das Zitat wahrscheinlich aus der entstellten Wiedergabe eines Satzes von Peter Handke bei einer Publikumsdiskussion im Wiener Akademietheater über seinen Reisebericht und polemischen Essay: "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien."

 Jemand aus dem Publikum meinte, Handke hätte nach Bosnien fahren sollen und nicht nach Serbien.  Handke antwortete, er wollte lieber auf die "falsche Seite", "akzeptieren Sie das", worauf der Frager vermutete:  "Vielleicht sind die Journalisten ... in Sarajewo ... betroffener als Sie".

Genervt von dem zur Phrase gewordenen Wort "betroffen" sagte Peter Handke:


Peter Handke, 1996, Akademietheater:

  • ",Betroffenheit'! Das kann ich schon überhaupt nicht hören. Gehen Sie nach Hause mit Ihrer Betroffenheit, stecken Sie sich die in den Arsch!"

    Youtube 2:10

Twitter:






Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Peter Stolle: "Maulwerker ahoi", 'Der Spiegel' 13/1999, 29. März 1999 spiegel.de
"Serbia's eloquent ally",  'The Irish Times', 3. April 1999 irishtimes.com/news/serbia-s-eloquent-ally-1.170173
Aleksandar Hemon: ‘The Bob Dylan of Genocide Apologists’, 'New York Times', 15. Oktober 2015
Nytimes.com/2019/10/15








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