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"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" Konrad Adenauer (angeblich)

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Deutsches Sprichwort, Pseudo-Konrad-Adenauer-Zitat.

Dieses beliebte angebliche Konrad-Adenauer Zitat ist ein deutsches Sprichwort, das noch  niemand in Konrad Adenauers Reden, Texten oder Interviews gefunden hat; das bestätigen auch Historiker der Berliner Konrad-Adenauer-Stiftung (Link).

Manchmal wird dieses Sprichwort dem deutschen Bundekanzler zusammen mit dem Satz, "Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden", zugeschrieben.

Diesen zweiten Satz hat Konrad Adenauer aber wirklich gesagt, wie in Paul Weymars 1955 erschienenem Buch, 'Konrad Adenauer. Die autorisierte Biographie',  auf Seite 521 nachzulesen ist (Link).


Kurze Geschichte des Sprichworts:


Das Sprichwort vom "Geschwätz von gestern" scheint am Ende des 19. Jahrhunderts  entstanden zu sein und wurde im Zusammenhang mit  dem 1908 verstorbenen preußischen Kulturpolitiker Friedrich Althoff erstmals erwähnt.

Der ersten schriftliche Beleg für das Sprichwort und die Zuschreibung an Friedrich Althoff stammt aus dem Jahr 1917, wie Wikipedia-Autorinnen herausfanden (Link).

Adolf Matthias, ein Mitarbeiter Althoffs, hat von dem organisatorischen Zickzackkurs des Politikers Althoff berichtet, bei dem dann Äußerungen gefallen seien, wie:

1917
  • "'Was gebe ich auf mein dummes Geschwätz von gestern!' Althoff besaß jene Heiterkeit des Humors, die nicht vor der eigenen Person Halt macht."(Link)

    Alfred Biese: "Adolf Matthias, Zur Würdigung und Erinnerung", in: Monatsschrift für höhere Schulen, 1917, S. 533 (Link)
Im Jahr 1931 taucht das Sprichwort ohne Zuschreibung an Althoff in einer humoristischen Geschichte der Zeitschrift "Die Muskete" in folgender Version auf:

1931
  • "Was geb' ich schon auf mein dummes Geschwätz von gestern?"(Link)
20 Jahre später hält der Politkwissenschaftler und Mitherausgeber des "Wörterbuchs des Unmenschen" Dolf Sternberger, der später auch viele Leiterartikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung verfasst hat, den Spruch für ein Frankfurter Sprichwort:

1950
  • "Oder, 'was geb' ich auf mein Geschwätz von gestern', wie es ein Frankfurter Sprichwort ausdrückt."
    Dolf Sternberger: Figuren der Fabel, S. 15 (Link)


Ungefähr seit 1969 gilt das Sprichwort in Deutschland als Adenauer-Zitat. Begonnen damit hat  anscheinend der Soziologe Horst Jürgen Helle in seiner Habilitationsschrift, wobei vielleicht noch frühere Quellen gefunden werden:


1969

  • "Man braucht also nicht sogleich an das Adenauer-Zitat zu denken: 'Was kümmert mich mein törichtes Geschwätz von gestern'."

    Horst Jürgen Helle: Soziologie und Symbol,  1969, 
    S. 56 (Link)

Seitdem wird dem pragmatischen deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer das Sprichwort in vielen Versionen unterschoben:

  • "Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?"
  • "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?"
  • "Was kümmert mich mein törichtes Geschwätz von gestern?"




 Artikel in Arbeit.
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Quellen:

www.konrad-adenauer.de: Zitate
 Alfred Biese: "Adolf Matthias, Zur Würdigung und Erinnerung", in: Monatsschrift für höhere Schulen, XVI. Jahrgang, Weidmannsche Buchhandlung, Berlin: 1917, S. 533 (Link)
Paul Weymar: Konrad Adenauer. Die autorisierte Biographie. Kindler Verlag, München: 1955, S. 521 (Link)
Dolf Sternberger: Figuren der Fabel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1950, S. 15 (Link)
Horst Jürgen Helle: Soziologie und Symbol. Ein Beitrag zur Handlungstheorie und zur Theorie des sozialen Wandels. Habilitationsschrift, Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen: 1969,  S. 56 (Link)
Albert Martens: "Gastpiel im Bett", in: Die Muskete, das blatt für kunst und humor, XXVI.  Jahrgang, 1931, Nr. 14, S. 6 (Link)
Wikipedia 

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Ich danke den Wikipedia-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen für ihre gründlichen Recherchen zu diesem Kuckuckszitat.

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