Seit den 1970er Jahren wird Österreichern nachgesagt, sie blickten 'voller Zuversicht', 'vertrauensvoll', mit Optimismus' und'hoffnungsvoll' in die Vergangenheit.
Eine Version dieses Bonmots wird seit 30 Jahren Karl Kraus unterschoben, eine andere Version seit 20 Jahren Alfred Polgar.
Die Variante, "Wir Wiener blicken vertrauensvoll - in unsere Vergangenheit!", hat nachweislich der Wiener Kabarettist Karl Farkas geprägt. Sie wurde 1983 in der Karl-Farkas-Biographie von Georg Markus publiziert, allerdings ohne genaue Datumsangabe.
Den digitalisierten Texten nach zu schließen wird das Bonmot Alfred Polgar und Karl Kraus immer nur (ohne Quellenangabe) unterschoben, aber von Karl Farkas könnten meiner Meinung nach noch mehrere Versionen dieser fast schon sprichwörtlich gewordenen satirischen Charakterisierung der österreichischen Mentalität aufgefunden werden.
1978 - Unbekannt
1983 - Farkas
1991 - Kraus
2000 - Polgar
2018 - Kraus
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Georg Markus: "Karl Farkas", Amalthea, Wien München: 1983, S. 43 archive.org
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Dank:
Ich danke Wolfgang Gruber für seine Recherchen.
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Eine Version dieses Bonmots wird seit 30 Jahren Karl Kraus unterschoben, eine andere Version seit 20 Jahren Alfred Polgar.
Die Variante, "Wir Wiener blicken vertrauensvoll - in unsere Vergangenheit!", hat nachweislich der Wiener Kabarettist Karl Farkas geprägt. Sie wurde 1983 in der Karl-Farkas-Biographie von Georg Markus publiziert, allerdings ohne genaue Datumsangabe.
Den digitalisierten Texten nach zu schließen wird das Bonmot Alfred Polgar und Karl Kraus immer nur (ohne Quellenangabe) unterschoben, aber von Karl Farkas könnten meiner Meinung nach noch mehrere Versionen dieser fast schon sprichwörtlich gewordenen satirischen Charakterisierung der österreichischen Mentalität aufgefunden werden.
Doron Rabinovici, SPIEGEL-Gespräch, 5. Mai 2014:
- "Nach 1945 haben die Österreicher die Vergangenheit nach Deutschland exportiert. Man hat es sich in einem Opfermythos bequem gemacht. Die Erinnerung daran, dass auch Österreicher Täter waren, hat erst 1986 in der Auseinandersetzung um den damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim und dessen NS-Vergangenheit begonnen. Überspitzt formuliert: Was ist der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich? Die Deutschen blicken voller Pessimismus in die Zukunft und die Österreicher voller Optimismus in die Vergangenheit."(Link)
Chronologie der Zuschreibungen:
1978 - Unbekannt
- "Denn zusehr ist der Österreicher — und da zitiere ich einen großen Landsmann — „zusehr ist er ein Mensch, der voll hoffnungsfrohem Optimismus in seine glorreiche Vergangenheit blickt". (Link)
1983 - Farkas
- "Oder - wie es etwas später der Kabarettist Karl Farkas ausdrückte: Wir Wiener blicken vertrauensvoll - in unsere Vergangenheit!"
Georg Markus: "Karl Farkas", Amalthea, Wien München: 1983, S. 43 archive.org; (books.google)
1991 - Kraus
- "zur nostalgischen 'Flucht aus der Gegenwart', einem Denken, das bloß '
vertrauensvoll in die Vergangenheit schaut' (Karl Kraus), als Legitimation und damit Stabilisierung von Herrschaft verwendet zu werden. (Link)
2000 - Polgar
- Denn schon der Polgar hat gesagt: Die Österreicher sind ein Volk, das mit Zuversicht in die Vergangenheit blickt 2000 (Link)
- "Der Österreicher als 'ein Mensch, der voller Optimismus – in die Vergangenheit blickt'". (Farkas). (Link)
2018 - Kraus
- In anderen Worten, er will, wie Karl Kraus sagen würde, »hoffnungsvoll in die Vergangenheit schauen« (das sagte der österreichische Satiriker über seine Landsleute, so am Rande bemerkt)" (Link)
- "'Die Österreicher', so hat es der begnadete Aphoristiker Alfred Polgar einst gesagt, 'sind ein Volk, das mit Zuversicht in die Vergangenheit blickt.'"(SZ)
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Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Georg Markus: "Karl Farkas", Amalthea, Wien München: 1983, S. 43 archive.org
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Dank:
Ich danke Wolfgang Gruber für seine Recherchen.
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Anhang
In der Satire "Kraliktag" zu dem christlichsozialen Philosophen Richard Kralik kommt in der 'Fackel' von Karl Kraus einmal die Wendung mit "Zuversicht in die Vergangenheit blicken" vor, da auch einer österreichischen Generation um die Jahrhundertwende nachgesagt wurde, sie blickten "vertrauensvoll in die Vergangenheit".![]() |
"Kraliks 'Oesterreichische Geschichte'", Grazer Volksblatt, 2. Dezember 1913, S. 1 (Link) |
Karl Kraus, Kralikstag, 1922
- " Wenn wir trotzdem mit jener Zuversicht, die nach ihm ihren Namen führt, in die Vergangenheit blicken können, so tun wir dies im Vertrauen auf eine Jugend, die, wenn sie dereinst ausziehen sollte, um dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und was ihm die Republik genommen hat, entschlossen ist, nicht heimzukehren, ohne vorher im Zeichen Kraliksgesiegt zu haben, und die schon heute so weit hält, daß ihr ein Kralikstagüber einen Benkeabend geht. "
Karl Kraus: Die Fackel Nr. 601-607, 1922, S. 123 (https://fackel.oeaw.ac.at/F/601,123)