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"Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit." Charlotte von Stein (angeblich)

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Dieser Satz wird außer Charlotte von Stein auch Voltaire, Goethe, Churchill, Mark Twain und vielen anderen - immer ohne genaue Quellenangabe - zugeschrieben. In keiner ihrer Schriften ist dieses Zitat allerdings gefunden worden.

Der Satz stammt so ähnlich aus dem Postskriptum eines etwa 40-seitigen Briefes des französischen Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal aus dem Jahr 1656:
  • "Ich habe den gegenwärtigen Brief aus keiner andern Ursach so lang gemacht, als weil ich nicht Zeit hatte, ihn kürzer zu machen." 
    Blaise Pascal, 16. Brief, 4. Dezember 1656, Übersetzung: 1792, S. 263
    (Link)
  • "Nachschrift. Ehrwürdige Väter, meine Briefe pflegten nicht so schnell auf einander zu folgen und auch nicht so lang zu sein. Die wenige Zeit, die ich hatte, ist Ursache von dem einen wie von dem andern. Ich habe diesen Brief nur deshalb länger gemacht, weil ich nicht Muße hatte ihn kürzer zu machen."
    Blaise Pascal, 16. Brief, Übersetzung von Karl Adolf Blech, 1841, S. 364 (Link)
  • "Je n’ai fait celle-ci plus longue que parce que je n’ai pas eu le loisir de la faire plus courte."
    Blaise Pascal,
    4. Dezember 1656   (Link)
Quoteinvestigator ist der englischen Geschichte dieses Satzes nachgegangen (Link).
Wenn ich mich nicht irre, ist die falsche Zuschreibung des Zitats an Frau von Stein noch keine 20 Jahre alt. Da es weder in einem seriösen Zitat-Lexikon noch in sonst einer seriösen Quelle Charlotte  von Stein zugeschrieben wird, muss man davon ausgehen, dass es ihr so wie Voltaire, Goethe und einigen anderen irrtümlich unterschoben wurde.

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Quellen:
Google,Google
Fred R. Shapiro: The Yale Book of Quotations, Yale University Press, New Haven: 2006, S. 583
Quoteinvestigator: "If I Had More Time, I Would Have Written a Shorter Letter  Blaise Pascal? John Locke? Benjamin Franklin? Henry David Thoreau? Cicero? Woodrow Wilson?" 2012 (Link)
Johann Wolfgang Goethe: Repertorium sämtlicher Briefe 1764 - 1832  (Link)
Blaise Pascal: Provinzialbriefe über die Sittenlehre und Politik der Jesuiten ..., Band 2, 1792,  16. Brief, An die Ehrwürdigen Väter von der Gesellschaft Christi, 4. Dezember 1656, S. (219-)263 (Link)

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Artikel in Arbeit.



 

"Symmetrie ist die Ästhetik der Dummen." Mies van der Rohe (angeblich)

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Dieser Aphorismus scheint in Architektur- und Künstlerkreisen seit mindestens 60 Jahren bekannt zu sein und wird - immer ohne Quellenangabe - Mies van der Rohe, aber auch Picasso, Salvatore Dali und Friedensreich Hundertwasser unterschoben. Bisher ist es noch niemandem gelungen, den Spruch in einer ihrer Schriften oder Interviews nachzuweisen.

Wie so viele Sprichwörter ist auch dieser Aphorismus wahrscheinlich anonymen Ursprungs und in verschiedenen Versionen überliefert.

Varianten: 
Symmetrie sei die Ästhetik des kleinen Mannes / des Kleinbürgers / der Dummen / der Doofen / der Einfältigen / der Einfallslosen / der Primitiven / of fools.


 1965 (erstmals)
  • "Von einem für seine ironischen Bemerkungen bekannten Architekten stammt der Satz: 'Die Symmetrie ist die Ästhetik des kleinen Mannes', der hier offensichtlich zuzutreffen scheint ..."(Link)
1999
  • "Symmetrie ist die Ästhetik des Kleinbürgers." Der Spiegel, 51/1999 (Link)
2003
  • "'Symmetrie ist die Ästhetik der Dummen.' Ich behaupte, Picasso hat's gesagt. Ein Kollege von mir behauptet, Hundertwasser. Und Google hat keine Ahnung. Anyone?"(Link)
2004
  • " .. vor Jahren (vielen) habe ich den Spruch "Symmetrie ist dieÄsthetik der Doofen" mal im SPIEGEL gelesen".
2006
  • "Bei uns im Studium hieß es wenigstens noch 'Symmetrie ist die Ästhetik des kleinen Mannes'." 
 
2007 
  • "Symmetrie ist die Ästhetik der Dummen" (Ludwig Mies van der Rohe) 
2009
  • "Symmetrie ist die Ästhetik der Einfallslosen"
  • "Respektlos vor dem Alten höhnte man damals: Symmetrie ist die Ästhetik der dummen Kerle."
2010
  • "Salvador Dali said that symmetry is the aesthetics of fools."
 2014
  • "'Symmetry is the aesthetics of fools.' Picasso, Mies van der Rohe, Schopenhauer? Whoever said it, Sister O. won’t know the name." 
2015
  • "Als ich ein Kind war, hat mir ein Nachbar den Satz „Symmetrie ist die Ästhetik der Primitiven“ beigebracht." 

  • "I think it was Picasso who supposedly said that symmetry is the aesthetics of fools."
     
2016
  • "'Symmetrie ist die Ästhetik der einfältigen.'— Ein ehemaliger Arbeitskollege meines Vaters."
 2017
  • "Symmetrie ist die Ästhetik der Doofen" 
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Quellen:
Google
Bauen auf dem Lande, Bände 16-17, 1965, S. 55 (Link) (Erstmals in einem digitalisierten Text nachweisbar; genauere bibliogr. Angaben folgen.)

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache." Hanns Joachim Friedrichs (angeblich)

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Das ist ein Falschzitat, weil es eine Aussage des deutschen Fernsehjournalisten Hanns Joachim Friedrichs aus einem SPIEGEL-Gespräch über die notwendige emotionale Distanz eines Fernsehmoderators zu der Nachricht, die er präsentiert, ins Unsinnige verallgemeinert.

Im ursprünglichen Satz geht es um die Notwendigkeit von Fernsehjournalisten, bei schlimmen Nachrichten nicht 'in öffentliche Betroffenheit' zu versinken, 'cool' zu 'bleiben, ohne kalt zu sein'. Nur so würde das Publikum TV-Moderatoren auf Dauer vertrauen.

Diese Aussage wird in entstellter Form als Berufs-Maxime für alle Journalisten verbreitet. Was darauf hinaus läuft, dass ein Journalist, dem zum Beispiel Menschenrechte oder der Rechtsstaat am Herzen liegen, seinen Beruf verfehlt hätte, weil er sich mit dieser Sache nicht gemein machen dürfte. Einige der angesehensten Journalisten der Welt wären nach dieser Definition keine guten Journalisten.

Aus der Aussage, Zuschauer vertrauen einem Nachrichtenmoderator nur, wenn er Distanz hält und sich vor der Kamera nicht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, gemein mache, wurde das Motto des jährlich vergebenen Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises in folgender Version fabriziert: 
  • "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört."
Dazu:
  • "Der Witz ist, dass Friedrichs diesen Satz so nie gesagt hat, und auch nie gesagt hätte. Denn es ist ein abgrundtief blöder Satz."
    Robert Misik(Link)
  • "Dieser Satz ziert die Anzeigen, mit denen ein Journalistenpreis ausgeschrieben wird – und er ist trotzdem falsch. Er ist falsch, wenn er so verstanden würde, dass einem Journalisten nichts und niemand angelegen sein soll."
    Heribert Prantl 
    (Link)
  • "Ich halte nichts von der These, man solle sich nicht verbünden. Gerade wir als Journalisten sollen uns interessieren, für die, die sonst nicht gehört werden. Für Menschen, die ausgenutzt und betrogen werden. Für die, die missbraucht und getötet werden. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, die wir erfüllen müssen. Als Anne Will im letzten Jahr diesen Preis gewonnen hat, fand ich es ganz toll, dass sie sich in ihrer Dankesrede von diesem Motto distanziert und einen reflektierten Blick auf diese Aussage geworfen hat."
    Maria von Welser
    (Link)
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Hanns Joachim Friedrichs, 1995:
  • "SPIEGEL: Hat es Sie gestört, daß man als Nachrichtenmoderator ständig den Tod präsentieren muß?

    FRIEDRICHS: Nee, das hat mich nie gestört. Solche Skrupel sind mir fremd. Also, wer das nicht will, wer die Seele der Welt nicht zeigen will, in welcher Form auch immer, der wird als Journalist zeitlebens seine Schwierigkeiten haben. Aber ich hab' es gemacht, und ich hab' es fast ohne Bewegung gemacht, weil du das anders nämlich gar nicht machen kannst. Das hab' ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören."
    Der Spiegel, 13/1995, 27. März 1995  (Link)
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Quellen:
Jürgen Leinemann, Cordt Schnibben: "Cool bleiben, nicht kalt. Der Fernsehmoderator Hanns Joachim Friedrichs über sein Journalistenleben." Interview, Der Spiegel 13/1995, 27. März 1995 (Link)
Robert Misik: Lob der Parteilichkeit, 2016 (Link)
Heribert Prantl: Die Welt als Leitartikel: Zur Zukunft des Journalismus. Picus Verlag, Wien: 2012, ebook (Link) 
Steffen Burkhardt: Praktischer Journalismus. Oldenbourg Verlag, München: 2009, Interview mit Maria von Welser, S. 99 (Link) 

"Wenn ein Mann über eine Frau nachzudenken beginnt, gehört er ihr schon halb." Marcel Proust (angeblich)

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Pseudo-Marcel-Proust quote.
Dieser Spruch wird seit 1974 dem französischen Autor und Regisseur Marcel Pagnol zugeschrieben und erst seit 2007 Marcel Proust unterschoben.

Da das Zitat erst im 21. Jahrhundert Marcel Proust zugeschrieben wurde und da ich es weder auf Französisch noch auf Deutsch oder Englisch in einem digitalisierten Text von oder über Marcel Proust gefunden habe, ist es höchstwahrscheinlich irrtümlich Marcel Proust unterschoben worden. Solche Verwechslungen bei ähnlichen Autorennamen kommen ja öfters vor.

Ein französische Quelle für die Zuschreibung an Marcel Pagnol kenne ich noch nicht.

Varianten:
  • "Wenn ein Mann über eine Frau nachzudenken beginnt, gehört er ihr schon halb."
  • "Wenn ein Mann über eine Frau nachzudenken beginnt, hat sie ihn schon halb gewonnen."
  • "Wenn ein Mann anfängt über eine Frau nachzudenken, dann hat sie gewonnen."
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Quellen:
Eine der ersten Zuschreibungen an Marcel Proust: 2007: (Link)
Google
Erste Zuschreibung an Marcel Pagnol: 1974:
Markus R. Ronner: "Die Treffende Pointe: humoristisch-satirische Geistesblitze des 20. Jahrhunderts nach Stichwörtern alphabetisch geordnet." Ott Verlag, Thun: 1974, S. 216 (Link)

"... nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch ..." Theodor W. Adorno

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Dieses umstrittene, wahrscheinlich meistizitierte, provokative Adorno-Zitat ist das zentrale Element eines Satzes von ingesamt 37 Wörtern, die bei der Interpretation des Zitats mitgedacht gehören.

Theodor W. Adorno:


1949/1951
  • "Noch das  äußerste Bewusstsein vom Verhängnis droht zum Geschwätz zu entarten. Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben." 
    Theodor W. Adorno: Kulturkritik und Gesellschaft
1962

  • "Den Satz, nach Auschwitz noch Lyrik zu schreiben, sei barbarisch, möchte ich nicht mildern; negativ ist darin der Impuls ausgesprochen, der die engagierte Dichtung beseelt."
    Theodor W. Adorno: Engagement 

1966
  • "Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse, ob vollends es dürfe, wer zufällig entrann und rechtens hätte umgebracht werden müssen. Sein Weiterleben bedarf schon der Kälte, des Grundprinzips der bürgerlichen Subjektivität, ohne das Auschwitz nicht möglich gewesen wäre: drastische Schuld des Verschonten. Zur Vergeltung suchen ihn Träume heim wie der, daß er gar nicht mehr lebte, sondern 1944 vergast worden wäre, und seine ganze Existenz danach lediglich in der Einbildung führte, Emanation des irren Wunsches eines vor zwanzig Jahren Umgebrachten."
    Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, Meditationen zur Metaphysik
Über dieses Zitat wurde jahrzehntelang schon viel Falsches und Richtiges geschrieben. Einen kurzen Überblick dazu findet man auf Wikipedia, lesenswert ist auch Burkhardt Lindners Artikel: "Was heißt: Nach Auschwitz? Adornos Datum"(Link).
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Quellen:
Burkhardt Lindner: "Was heißt: Nach Auschwitz? Adornos Datum", in: Stephan Braese ua. (Hg.): Deutsche Nachkriegsliteratur und der Holocaust. Campus Verlag, Frankfurt / New York: 1998, S. 283ff. (Link)
Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band  10.1. Hrsg. von Rolf Tiedemann. Suhrkamp, Frankfurt: 1977, S. 30. 
Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. Suhrkamp, Frankfurt: 1973, S. 355
Theodor W. Adorno: Engagement (Vorerst zitiert nach Wikipedia) 
Wikipedia

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Artikel in Arbeit. Zitate noch nicht überprüft.

"Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen." Aristoteles (angeblich)

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Pseudo-Aristotle quote.

Dieser Spruch wird Aristoteles erst im 21. Jahrhundert zugeschrieben. Auf Englisch, Griechisch oder Französisch habe ich ihn sowenig gefunden wie eine Stelle in einem Werk von Aristoteles, die so ähnlich wie das Zitat klingt. Es ist also wahrscheinlich ein Falschzitat.  

Wer es geprägt hat, wissen wir nicht. Es könnte aus Sprichwörtern wie, "Wer seinen Fehler durch eine Lüge entschuldigt, der macht das Uibel noch ärger", entstanden sein (Link).

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Quellen:
Google
Erstmals zugeschrieben 2002:
Universitas, Band 57, Ausgaben 673-678, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart: 2002, S. 880 (Link)

"Freiheit stirbt mit Sicherheit." Kurt Tucholsky (angeblich)

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Pseudo-Tucholsky quote.


"Freiheit stirbt mit Sicherheit" war 1988 der Titel eines Kongresses gegen den Überwachungsstaat  und später der Titel eines Films von Horst Herbst (Link). Dieser Slogan einer unbekannten Autorin wird durch Graffiti und auf Transparenten verbreitet und seit kurzem auch manchmal fälschlich Kurt Tucholsky zugeschrieben (Link).
  
Autor: unbekannt.
Film von Horst Herbst, 1991, Youtube:


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Quellen:
Google
Horst Herbst: "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Film, WDR, Köln: 1991 (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

"Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave." Aristoteles (angeblich)

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Pseudo-Aristoteles quote.
Der Autor oder die Autorin dieses bei der Piratenpartei beliebten Aphorismus ist unbekant. Erst  im 21. Jahrhundert wird er Aristoteles unterschoben und ist in seinen Werken unauffindbar.

Der Spruch könnte aus dem lateinischen Sprichwort, "Lieber gefahrvolle Freiheit, als ruhige Sklaverei", entstanden sein: "Malo periculosam libertatem, quam quietum servitium", war das Motto von Rafał Leszczyński, das sein Sohn, der polnische König Stanisław Leszczyński überliefert hat und von Jean Jacques Rousseau in seinem "Du Contrat Social" und später von vielen anderen zitiert wird.

 
Varianten, die fälschlich Aristoteles zugeschrieben werden:
  • "Wer Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, ist zu Recht ein Sklave.“
  • "Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt ist zurecht ein Sklave."
  • "Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave." 
Auch Benjamin Franklin könnte den Spruch angeregt haben:
  • "Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren." 
  • Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety."
    Benjamin Franklin, 1755 (Link)
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    Quellen:
    Um 2002 erstmals Aristoteles zugeschrieben: Google
    J.J. Rousseau: "Du Contrat Social"(Link); (Link)
    Benjamin Franklin, 1755 (Link)  
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    Artikel in Arbeit.

    "Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen." Pablo Picasso (angeblich)

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    Pseudo-Picasso quote.
    Das Problem bei diesem berühmten Picasso-Zitat ist, dass es noch niemand in einem Text oder Interview Pablo Picassos gefunden hat. Populär wurde diese falsche Zuschreibung durch Steve Jobs, der sich mehrfach auf diese angebliche Picasso-Maxime, "Good artists copy. Great artists steal", bei der Entwicklung seines Macintosh Computers berufen hat.

    Inzwischen wird dieser Aphorismus, über dessen Interpretation viel gestritten wird (Link), manchmal Steve Jobs selbst zugeschrieben.
    Pseudo-Steve-Jobs quote.
    Quoteinvestigator ist der Evolution des Zitats nachgegangen. Am Anfang der Reihe stand ein Satz, der ungefähr das Gegenteil des späteren Pseudo-Picasso-Zitats behauptete:

    1892
    • "Die große Dichter ahmen nach und verbessern, während die kleinen stehlen und verschlechtern."
      W. H. Davenport Adams, 1892 (Quoteinvestigator)
    1920
     1959
    • "Unreife Künstler entlehnen, reife Künstler stehlen."
      Marvin Magalaner paraphrasiert T.S. Eliot (Quoteinvestigator)
    Später wurden Varianten dieses Aphorismus auch William Faulkner und Igor Strawinsky zugeschrieben, bis er 1988 erstmals durch Steve Job Pablo Picasso unterschoben wurde.

    1996
    • I mean Picasso had a saying he said good artists copy great artists steal. And we have always been shameless about stealing great ideas ehm and I think part of what made the Macintosh great was that the people working on it were musicians and poets and artists and zoologists and historians who also happened to be the best computer scientists in the world.
      Steve Jobs, 1996, Television Show Transcript (Link)

    Ich empfehle dazu den ausführlicheren Artikel von Quoteinvestigator, dem wir diese Funde verdanken.
     
    2015
    • "Good artists copy; great artists steal; and most marketers misattribute."
      Jeremy Arnold  Quora.com
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    Quellen:
    Google
    Quoteinvestigator:  "Good Artists Copy; Great Artists Steal. Steve Jobs? Pablo Picasso? T. S. Eliot? W. H. Davenport Adams? Lionel Trilling? Igor Stravinsky? William Faulkner? Apocryphal?" 2013 (Link)
    T. S. Eliot: "Philip Massinger" in: The Sacred Wood. Essays On Poetry and Criticism. Methuen and Co., London: 1920, p. 114 Archive.org, (Link)

    "Hinaus mit dem Schuft aus Wien!" Karl Kraus (angeblich)

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    Karl Kraus Online, Wienbibliothek, Vorlesungsprogramm 8. Oktober 1925.


    Mit der Parole "Hinaus aus Wien mit dem Schuft!" vom Juni 1925, die Karl Kraus in den folgenden Monaten noch oft wiederholte und die bald ein geflügeltes Wort wurde, gelang es Karl Kraus, die Öffentlichkeit und die Justiz gegen den korrupten Zeitungsverleger Imre Békessy erfolgreich zu mobilisieren. Dieser erpresserische "Schwerverleger" musste ein Jahr später Wien verlassen und flüchtete im Juli 1926 vor einem drohenden Strafverfahren nach Paris.
    • "Die Arbeiter-Zeitung (28. Juni) brachte die folgende Zuschrift des Kartenbureaus Richard Lányi:
      ‚Die Stunde‘ stellt in einer Notiz die Behauptung auf, daß dem Vortrag, den Karl Kraus am 25. Juni unter dem Titel: »Entlarvt durch Bekessy« im mittleren Konzerthaussaal gehalten hat, im ganzen 150 Personen beigewohnt haben. Als Veranstalter des Vortrags stelle ich fest, daß der Saal 882 zum Verkauf gelangende Plätze, außer den Pflichtplätzen, enthält, welche lange vor dem Abend vollständig vergriffen waren, daß noch auf dem Podium [hinter der spanischen Wand] Stühle aufgestellt werden mußten, daß der Saal überfüllt war, daß mehr als 1000 Personen abgewiesen worden waren, so daß sich auch der große Konzerthaussaal, den ich leider nicht gemietet hatte, als zu klein erwiesen hätte. 
      Und daß die mehr als 900 Anwesenden sich dem Rufe des Redners: »Hinaus aus Wien mit dem Schuft!« angeschlossen haben."
      Die Fackel Nr. 691-696, Juni 1925, S. 36
    Diese Parole von Karl Kraus gehört heute noch zu seinen bekanntesten Zitaten und wird - so wie sein missverstandener Satz aus der Dritten Walpurgisnacht, "Mir fällt zu Hitler nichts ein"  - öfters mit falscher Wortfolge wiedergegeben (Google).

    Wenn unseriöse Journalisten Karl Kraus zitieren, geht die Sache nicht nur bei diesem Zitat regelmäßig schief.

    Ein Beispiel:
    • "In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Wien den berüchtigten Herausgeber Imre Békessy. Mit seinem Krawallblatt 'Die Stunde' sank der Journalismus auf eine bis dahin nicht gekannte Niveaulosigkeit. Békessys schärfster Gegner war Karl Kraus, von dem der berühmte Satz überliefert ist: 'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'" 
      Michael Jeannée,  Kronen Zeitung,  4. Juni 2017 ( Link)
    • "'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'
      Zum Schluss seiner Kolumne zitiert Jeannée dann noch einen überlieferten Satz von Karl Kraus, den dieser in den 1920er Jahren seinem schärfsten Journalisten-Gegner Imre Békessy, der in den Kraus' Augen [mhm] ebenfalls ein "Krawallblatt" produzierte, entgegen warf: 'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'"
      Unzensuriert.at 5. Juni 2017 (Link)
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    Quellen:
    Google
    Karl Kraus: Die Fackel Nr. 691-696, Juni 1925, S. 36; Nr. 697-705, Oktober 1925, S. 145-176
    Karl Kraus: Vorlesungsprogramm, 8. Oktober 1925, Karl Kraus Online, Wienbibliothek (Link)
    Arbeiter-Zeitung, Wien, 16. Juli 1926, S. 4 (Link)
    Michael Jeanée,  Kronen Zeitung,  4. Juni 2017 (Link)
    Unzensuriert.at 5. Juni 2017 (Link)
    Mit veränderter Wortfolge zitierten den Satz zum Beispiel auch Walter Jens und Jörg Haider.
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    Theodor W. Adorno erinnert sich, dass Karl Kraus, "das Recht in die eigene Hand nahm und 1925 in einer Vorlesung, die keiner vergessen wird, der zugegen war, den Herrn der 'Stunde', Imre Bekessy, mit den Worten 'hinaus mit dem Schuft aus Wien' von der Stätte seines Wirkens endgültig vertrieb."Theodor W. Adorno, Sittlichkeit und Kriminalität
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    Artikel in Arbeit.

    "Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls." August Bebel (angeblich)

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    Dieses Zitat wird seit etwa siebzig Jahren irrtümlich dem deutschen Sozialdemokraten August Bebel zugeschrieben. Als August Bebel 1894 in einem Gespräch mit Hermann Bahr den Spruch Ferdinand Kronawetters zitiert, distanziert er sich gleichzeitig davon.

    August Bebel, 1894:
    • "Bei Ihnen hat man einmal gesagt — ich glaube, es war Kronawetter —: 'Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls.' Das ist ein hübscher Einfall, aber er trifft doch die Sache nicht. Die eigentlichen Träger des Antisemitismus, das kleine Gewerbe und der kleine Grundbesitz, haben von ihrem Standpunkte aus nicht so Unrecht. ..."
      In: Hermann Bahr: "
      Der Antisemitismus. Ein internationales Interview", 1894  (Archive.org)

    Ferdinand Kronawetter, 1889: 
    • "Als Verräther, als Juden und Judenknecht werden wir Demokraten bezeichnet. Das sind wir nicht, aber wir sind auch keine Stiefelputzer der Liechtenstein, wir sind keine Pfaffenknechte, keine Heuchler, welche als Demokraten den telegraphischen Segen des Papstes kniend und augendrehend in Empfang nehmen. (Stürmischer Beifall) Der Antisemitismus ist nichts als der Socialismus des dummen Kerls von Wien (schallende Heiterkeit), denn welcher vernünftige Mensch kann glauben, daß die Zukunft besser wird, wenn man das Volk in das finstere Mittelalter zurückführt?"
      Ferdinand Kronawetter, bei der Generalversammlung des Margaretner Wählervereins, in den "Drei Engel"-Sälen, am 23. April 1889, Neue Freie Presse (Link)
     Der Wiener Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter, der sich von Karl Lueger trennte, als der sich antisemitischen Strömungen anbiederte, hat am 23. April 1889 dieses Zitat geprägt. Kronawetter  war eine Hassfigur der Wiener Antisemiten, aber ein hochgeschätzter politischer Partner der Sozialdemokraten. Die Stadt Wien verdankt ihm gute Initiativen; er stritt mit liberalen Grundsätzen gegen die Liberalen und gegen die Christlich-Sozialen.

    Ferdinand Kronawetter ist heute vergessen, aber sein Aphorismus lebt auf der ganzen Welt weiter, allerdings wird er meistens August Bebel und hie und da auch den österreichischen Sozialdemokraten Victor Adler oder Engelbert Pernerstorfer unterschoben.

    Varianten:
    1890:  "wie Abgeordneter Kronawetter einst richtig bemerkte: der Antisemitismus ist
                der Socialismus des 'dummen Kerls von Wien'."
    1893:  "'Der Antisemitismus', sagte Dr. Kronawetter in Bezug auf die Wiener Bewegung
                 derb, 'ist der Socialismus der dummen Kerls.'" 
    1893:   "Ausspruch Kronawetter's, daß der Antisemitsmus der Socialismus der dummen Kerle ist".    
    1894:  "Wobei das bekannte Wort des österreichschen Reichsrathsabgeordneten Dr. Kronawetter
                 citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"

    1895:   Als die antisemitische Partei in Wien auftauchte, das sagte Kronawetter in seiner
                drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"

    1897:  "Der Antisemitismus ist die Politik des dummen Kerls von Wien!" 
    1919: "Viktor Adler war es wohl, der einmal sagte, daß der Wiener Antisemitismus der
                Sozialismus der dummen Wiener Jugend ist."

    • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls von Wien."
    • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle."
    • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen  Mannes."
    • "Der Antisemitismus ... ist ... der  Sozialismus der Dummen." 
    • "Anti-Semitism is the socialism of fools."
    • "Anti-Semitism is the socialism of imbeciles."
     
    Pseudo-Pernersdorfer quote.
      _______
    Anmerkung:
     "Der dumme Kerl von Wien" war seit den 1860er Jahren ein Typus und eine satirische Figur in humoristischen Zeitschriften (Google Books); auch in der antisemitischen Satire-Zeitschrift "Kikeriki", die die schweinische Ironie des "Stürmers" vorwegnahm.

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    Quellen:
    Hermann Bahr: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. S. Fischer Verlag, Berlin: 1894, S. 21 (Link) 
    1889: Neue Freie Presse, 24. April 1889, Abendblatt, S. 2
    1890: Bukowiner Rundschau, 16. Januar 1890, S. 3
    1893: Tages-Post, 26. Oktober 1893, S. 2
    1893: Neue Freie Presse, 26. Juni 1893, S. 5
    1894: Freies Blatt, 10. Juni 1894, S. 6
    1895: Tages-Post, 5. Februar 1895, S. 1
    1897: Badener Zeitung, 27. Oktober 1897, S. 3
    1919: Jüdische Korrespondenz, 21. November 1919, S. 3
    Wikiquote 
    Google Books 
    _______ 
    Dank:
    Ich danke Leigh Hunt für seine Recherchen.




    "I notice that Autumn is more the season of the soul than of nature." Friedrich Nietzsche (angeblich)

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    Pseudo-Friedrich-Nietzsche quote.
    Dieses auf Englisch im Internet weit verbreitete Nietzsche-Zitat (Google) ist eine Fabrikation des 21. Jahrhunderts, wahrscheinlich noch nicht einmal 10 Jahre alt, und es ist weder in digitalisierten deutschen noch in englischen Büchern zu finden.

    Es ist also ein Falschzitat eines unbekannten Autors oder einer unbekannten Autorin.

     Varianten:
    • "Notice that Autumn is more the season of the soul than of Nature.”
    • "I notice that Autumn is more the season of the soul than of nature."
    ____

    Friedrich Nietzsche:

    •                  Im deutschen November.
      Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
      Fliege fort! fliege fort! —
      Die Sonne schleicht zum Berg
      Und steigt und steigt
      und ruht bei jedem Schritt.

      Was ward die Welt so welk!
      Auf müd gespannten Fäden spielt
      Der Wind sein Lied.
      Die Hoffnung floh —
      Er klagt ihr nach.

      Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz.
      Fliege fort! fliege fort!
      Oh Frucht des Baums‚
      Du zitterst‚ fällst?
      Welch ein Geheimniß lehrte dich
      Die Nacht‚
      Daß eis’ger Schauder deine Wange‚
      Die Purpur-Wange deckt? —

      Du schweigst‚ antwortest nicht?
      Wer redet noch? — —

      Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz.
      Fliege fort! fliege fort! —
      „Ich bin nicht schön
      — so spricht die Sternenblume —
      Doch Menschen lieb’ ich
      Und Menschen tröst’ ich —
      sie sollen jetzt noch Blumen sehn‚
      nach mir sich bücken
      ach! und mich brechen —
      in ihrem Auge glänzet dann
      Erinnerung auf‚
      Erinnerung an Schöneres als ich:

      — ich seh’s‚ ich seh’s — und sterbe so.“ —

      Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
      Fliege fort! fliege fort!
    Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Herbst 1884  (Link)


    _____
    Quellen:
    2013: (Link)
    Google
    Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link) 

    "Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt." Joseph Goebbels (angeblich)

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    Pseudo-Joseph-Goebbels quote from around 1999.
    Der Spruch wird Goebbels seit sieben Jahrzehnten in verschiedenen Varianten unterschoben. Es ist ein peinlicher Widerspruch, wenn man mit erfundenen Goebbels-Zitaten gegen Lügen in der Politik argumentiert (Link), wie zum Beispiel Donald-Trump-Gegner, die mit demselben Fake-Zitat gegen Trump polemisieren wie Hillary-Clinton-Gegner gegen Clinton (Link). Man bekämpft Fake News mit Fake Zitaten und suggeriert, der politische Gegner arbeite mit Nazipropaganda-Methoden.

    Dieses auf Englisch und Deutsch hunderttausendfach verbreitete Pseudo-Goebbels-Zitat hat noch niemand in einem Text von Joseph Goebbels gefunden und es widerspricht auch der Ideologie von Goebbels, der sich seinen Zuhörern und Lesern gerne als Kämpfer für die Wahrheit gegen die verlogene Presse und gegen die ausländische 'Lügenpropaganda' präsentierte.
    NSDAP-Plakat, 1940. Von GERMAN PROPAGANDA ARCHIVE.

    In der Tat hat kaum ein Politiker so schamlos gelogen wie Joseph Goebbels, aber in seinen Reden und auch in seinem Tagebuch posierte er als Person, die der Wahrheit verpflichtet ist. Seine Propaganda nennt er nicht Lüge, sondern "Probleme auf die einfachste Formel bringen" und suggerierte: Lügen, das tun die anderen, zum Beispiel 'die Engländer', die anders als die treuherzigen Nazis angeblich aus Prinzip logen.

    Propagandaminister und Spindoktoren, die zugäben, Lügen zu verbreiten, wären wohl kaum glaubwürdig und erfolgreich.

    Erfundene Goebbels-Zitate, eine Auswahl:

    • "'Angeblich verfolgt Trump mit seinen Lügereien die Goebbels-Doktrin', sagte der iranische Politiker. Er bezog sich auf das Goebbels-Zitat 'Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt'."
      Die ZEIT, 24. September 2017 (Link)
    • "Als mephistophelischer Meister der perfiden Lügenmaschinerie ging der Propagandaminister des Dritten Reichs, Joseph Goebbels, in die Geschichte ein, der bereits 1933 sein Credo formulierte: „Wenn du einmal mit dem Lügen begonnen hast, darfst du nie wieder damit aufhören.“ Und: „Man muss Lügen nur oft genug wiederholen, dass sie geglaubt werden.“"
      profil, 26. März 2010 (Link)
    • "Goebbels sagte, wenn man eine Lüge häufig genug wiederholt, dann wird sie zur Wahrheit."
      Welt, 20. Juli 2008 (Link)
      "'Man muss eine Lüge nur sooft wiederholen, bis man selber daran glaubt'- Joseph Göbbels"(Blog)"Joseph Goebbels schrieb einmal in sein Tagebuch: 'Man muss eine Lüge nur oft wiederholen, bis man selber daran glaubt'."Heise.de/Forum 
    • "Wenn die Wahrheit erfolgreich vergewaltigt wird, sind bald auch die Menschen, ihr Leben, ihre Würde an der Reihe. Deshalb darf man zu Sarrazin nicht schweigen. Die Maxime des PR-Experten Joseph Goebbels, man müsse die Lügen nur häufig genug wiederholen, bis die Masse sie glaube – unser Bundesbanker handelt gerne danach und hat dies in einer schwachen Minute der Süddeutschen sogar zu Protokoll gegeben  ..."
      Neue Rheinische Zeitung, 18. Mai 2011 (Link)
    • "If you tell a lie big enough and keep repeating it, people will eventually come to believe it. The lie can be maintained only for such time as the State can shield the people from the political, economic and or military consequences of the lie. It thus becomes vitally important for the State to use all of its powers to repress dissent, for the truth is the mortal enemy of the lie, and thus by extension, the truth is the greatest enemy of the State."
      German Propaganda Archive
    • "Von Joseph Goebbels, dem 'Propaganda-Minister' Hitlers, stammt die Aussage:
      'Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates'."
      achgut.com
    Das letzte Zitat wurde vor etwa 20 Jahren von einer unbekannten Person geprägt und ist eine Übersetzung aus dem Englischen; das Thema der "großen Lüge" in der Propaganda geht auf folgende Stelle in Hitlers "Mein Kampf" zurück:
    • "Man ging dabei von dem sehr richtigen Grundsatze aus, daß in der Größe der Lüge immer ein gewisser Faktor des Geglaubtwerdens liegt, da die große Masse des Volkes bei der primitivsten Einfalt ihres Gemütes einer großen Lüge leichter zum Opfer fällt als einer kleinen".
      A.H.: Mein Kampf, S. 252 
    Diese Satz wird auch oft falsch zitiert: Hitler unterstellt hier die "Große Lüge" Juden und Marxisten, aber er bekennt sich nicht selbst offen zur "Großen Lüge" als Nazi-Propagandataktik.

    Dass Wiederholung in der Propaganda wichtig ist, war schon in den 1920er Jahren ein Gemeinplatz und steht auch in "Mein Kampf":
    • "Aber alle Genialität der Aufmachung der Propaganda wird zu keinem Erfolg führen, wenn nicht ein fundamentaler Grundsatz immer gleich scharf berücksichtigt wird. Sie hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen."
      A.H.: Mein Kampf, S. 202
    Dazu Goebbels, 1942:
    • "Ich kann wieder sehr viel lernen; vor allem, daß das Volk meistens viel primitiver ist, als wir uns  das vorstellen. Das Wesen der Propaganda ist deshalb die Einfachheit und die Wiederholung. Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann, und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen. Wer einen anderen Weg einschlägt, mag den oder jenen labilen Intellektuellenkreis beeinflussen, das Volk ist er nicht einmal an der Oberfläche zu ritzen in der Lage."Joseph Goebbels, Tagebuch, 29. Januar 1942
      Goebbels, 1941:
      • "Die Engländer gehen nach dem Prinzip vor, wenn du lügst, dann lüge gründlich, und vor allem bleibe bei dem, was du gelogen hast! Sie bleiben also bei ihren Schwindeleien, selbst auf die Gefahr hin, sich damit lächerlich zu machen."
        Joseph Goebbels, 1941, "Die Zeit ohne Beispiel"(Link)
      • "Die Engländer haben eine Art, die Wahrheit zu verschleiern und mit moralischen Phrasen allen bekannte und manchmal auch sehr zweifelhafte Zustände zu überdecken, die geradezu Bewunderung erregen muß."
        Joseph Goebbels, 1941, "Die Zeit ohne Beispiel"(Link)

      Seit 2008 dokumentiert Randall Bytwerk im German Propaganda Archive (Calvin College) und auf seinem Blog "Goebbels Didn't Say It" die anscheinend unaufhaltsame Weiterverbreitung dieser Falschzitate im Internet, in diversen Büchern und durch Zeitungen (Link).

      Man kann nie beweisen, dass ein Falschzitat niemals in einem Text des fraglichen Autors gefunden werden wird. Aber wenn ein Spruch immer nur ohne genaue Quellenangabe zitiert wird und kompetente Forscher jahrelang vergeblich nach einer seriösen Quelle gesucht haben, dann muss man davon ausgehen, dass das Zitat ein Falschzitat ist.
       _________
      Quellen:
      Frühe Zuschreibung:
      Publications Relating to Various Aspects of Communism  by United States Congress, House Committee on Un-American Activities, 1946, Issues 1-15, p. 19,   (Link) (Zitiert nach Wikiquote)
      Wikiquote
      Wikipedia:"Big Lie"
      Randall L. Bytwerk: German Propaganda Archive,  "False Nazi Quotations", 2008ff. (Link)
      Randall L. Bytwerk, Quentin J. Schultze:"Goebbels Didn't Say It", Blog, 2012ff. (Link)
      Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands. Teil II, Diktate 1941-1945 (Bd. III: Januar-März 1942). New Providence, London und Paris: 1994, 29. Januar 1942, S. 213 (Zititert nach?: mhm)
      Joseph Goebbels: "Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahre 1939/40/41", Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München: 1941, 12. Januar 1941, S. 364; S. 86 (Link)
      Adolf Hitler: Mein Kampf, Verlag Franz Eher Nachf., München: 1943, S. 252; S. 202
      "Plausible quotations and reverse credibility in online vernacular communities.."The Free Library. 2012, Institute of General Semantics (retrieved 6 Dec. 2017) (Link)
      Peter Longerich: "Joseph Goebbels. Biographie." Siedler Verlag, München: 2010
      Randall L. Bytwerk:"Bending Spines: The Propagandas of Nazi Germany and the German Democratic Republic." Michigan State University Press: 2004

      _________
      Dank:
      Ich danke Randall Bytwerk für die Erlaubnis, das Goebbels-NSDAP-Plakat von 1940 hier wiedergeben zu dürfen und Tobias Blanken für einen Hinweis.


      ______________
      Artikel in Arbeit.

      1939
      • "I want to stress first two principles of the new art of Hitler and Goebbels which is still underestimated. The basic principle is that the illusion of truth can be created by an intensive repetition of a lie. If one repeats often enough, for example, and in a thousand variations which seem not to come from the same source that the German air fleet is invincible, then people will become afraid, will not dare to fight it, and in this way make it appear so powerful that it becomes the victor..."
        Report, 1939, S. 18 (Link)
      1940
      • ".. Goebbels, covers the whole world with nets and traps and infection points. Nazi propaganda ranges from the most subtle forms of intellectual argument justifying manifold heresies and evil principles down to the crudest examples of the application of Hitler's brazen maxim that one of the best ways to spread a lie is to lie boldly — lie outrageously — lie most loudly — lie with a loud-speaker — lie incessantly, so that simple souls, child-like souls, the souls of great masses of people, will believe the lie because of their sheer inability to comprehend that there can be human beings really capable of inventing such cosmic whoppers. "Lie boldly" is a nazi application, and perversion, of Luther's paradoxical "Sin boldly."
        The Commonweal, Volume XXXIII, 5 November 1940, S. 101
      1943
      • "'Propaganda,' Dr. Goebbels once wrote, 'should not be in the least respectable; nor should it be mild or humble. It should be successful.' In the event Goebbels accepted Hitler's famous dictum that the bigger the lie, the better: and that if you repeat a whopper often enough, the people will eventually come to believe it."
        David Walker: Civilian attack, 1943 S. 87 (Link)
       

      "Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates." Joseph Goebbels (angeblich)

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      Pseudo-Goebbels quote.

      Dieser in Amerika weit verbreitete Spruch eines unbekannten Autors wird Joseph Goebbels seit etwa zwanzig Jahren unterschoben und ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

      In den Schriften von Joseph Goebbels hat diesen Satz noch niemand gefunden.

      Das vollständige Falschzitat:
      • "If you tell a lie big enough and keep repeating it, people will eventually come to believe it. The lie can be maintained only for such time as the State can shield the people from the political, economic and or military consequences of the lie. It thus becomes vitally important for the State to use all of its powers to repress dissent, for the truth is the mortal enemy of the lie, and thus by extension, the truth is the greatest enemy of the State."
        German Propaganda Archive

      Pseudo-Goebbels quote.
        • "Von Joseph Goebbels, dem 'Propaganda-Minister' Hitlers, stammt die Aussage:
          'Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates'."
          achgut.com

        Seit 2008 dokumentiert Randall Bytwerk im German Propaganda Archive (Calvin College) und auf seinem Blog "Goebbels Didn't Say It" die Weiterverbreitung dieses Falschzitats (Link).

        Mehr dazu in dem Artikel: "Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt." (Link)
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        Quellen:
        Das Falschzitat ist zum Beispiel hier zu finden: Wikimannia 
        Randall L. Bytwerk: German Propaganda Archive, "False Nazi Quotations", 2008ff. (Link)
        Randall L. Bytwerk, Quentin J. Schultze:"Goebbels Didn't Say It", Blog, 2012ff. (Link)

        "Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen." Lenin (angeblich)

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        Pseudo-Lenin quote.
        Dieses Zitat entwickelte sich aus einer Lenin-Anekdote, die 1958, also mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod, das erste Mal in den digitalisierten Texten auftaucht: "Genossen", soll Lenin gesagt haben, "sorgt euch nicht um die Kapitalisten. Wir müssen ihnen nur genug Stricke liefern und sie werden sich selber aufhängen"(Link).

        Ein Jahr später hängen sich die Kapitalisten in der revidierten Lenin-Anekdote nicht mehr selber auf, sondern werden aufgehängt. Zwei Jahre später wird der Spruch Stalin unterschoben (Link). Dann bekommt der Spruch langsam die kurze aphoristische Form, die wir heute kennen, und 1982 wird die älteste Lenin-Anekdote Alexander Solschenyzin zugeschrieben, der sie 1975 in Amerika erzählt haben soll (Link).

        In den gesammelten Schriften Lenins wurde das Zitat weder so noch so ähnlich je gefunden. Der Journalist William Safire erzählte 1987 in einem amüsanten Artikel von seiner vergeblichen Suche nach dem Ursprung des Zitats bei Kommunisten, Professoren und Bibliothekaren in Moskau und New York (Link).

        Die Evolution dieses Zitats legt den Schluß nahe, dass es ein Falschzitat ist. Vor 1950 ist es weder auf Deutsch, noch auf Englisch oder Russisch in einem digitalisierten Text zu finden. 

        Tobias Blanken hat mich darauf hingewiesen, dass dieses Lenin-Zitat wahrscheinlich ein späte Erfindung ist, der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Joseph Wälzholz hat auf Russisch den Urspung des Zitats recherchiert und ich bin ihm auf Deutsch und Englisch nachgegangen: Auch wir sind, wie die Autoren des Buches "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions" und die Rechercheurinnen von Wikiquote zu dem Schluß gekommen, dass dieses Lenin-Zitat eine Erfindung des Kalten Kriegs ist.

         Evolution des Falschzitats:


        Das Zitat taucht 1958 auf Englisch das erste Mal auf, 1959 auf Deutsch:
          

        1958
        • "Some 35 years ago, in the course of a report on Russia's economic future, Lenin is reported to have said: 'Comrades, we have nothing to worry about the capitalists. All we have to do is give them enough rope and they will hang themselves.'Thereupon, one of his comrades asked Lenin: 'But where will we get the rope to give to the capitalists ?' Lenin quickly replied: 'from the capitalists, of course'."
          AFL-CIO, Dept. of International Affairs, AFL-CIO Free Trade Union News,  Bände 13-15, 1958,  S. 36
          (Link)
         
        1959
        • "Über letztere hat Lenin einmal gesagt: 'Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden'.
          "
          Richard Etschmann: "Die Währungs- und Devisenpolitik des Ostblocks und ihre Auswirkungen ...", 1959, S. 209 (Link)
        1960
        • "Lenin sagte: «Wenn die kapitalistische Welt anfängt, mit uns Handel zu treiben - von dem Tag ab beginnt sie, ihre eigene Vernichtung zu finanzieren.» Noch anschaulicher formulierte Stalin: «Wenn es dann so weit ist, daß wir die Kapitalisten dieser Welt aufhängen, werden sie sich gegenseitig auf die Zehen treten, um uns die Stricke zu verkaufen.»" 
          Reformatio, Band 9, 1960, S. 269 (Link)
        1974
        • "Among the statements of the late Vladimir Lenin, founder of the modern Soviet state, are his words: "The capitalists are so greedy they will sell the rope for their own hanging." In the light of communist exploitation of American gullibility that is a statement of deep meaning and dire consequences."
          Life Line Freedom Talk, 1974  (Google) 
         1976
        • "daß — nach einem Wort Lenins — die Kapitalisten so habgierig und dumm sein können, daß sie ihrem Henker auch noch die Stricke verkaufen, an denen er sie früher oder später aufhängen wird."
          Criticón, Bände 33-38, 1976,  S. 14

         1981
        • "In einem der am häufigsten zitierten Lenin-Worte wird prophezeit, daß die kapitalistischen Länder eines Tages der Sowjetunion noch den Strick verkaufen würden, mit dem diese sie aufknüpft."
          Europäische Wehrkunde, Band 13, 1981 (Link)
        1982
        • "When things go very hard for us, we will give a rope to the bourgeoisie and the bourgeoisie will hang itself." When Radek asked, "Where are we going to get enough rope to hang the whole bourgeoisie?" Lenin replied, "They'll supply us with it."
          Cord Meyer: Facing Reality: From World Federalism to the CIA, 1982 (
          Alexander Solschenizyn soll das am 30. Juni 1975 zur Gewerkschaft AFL-CIO gesagt haben) S.  303  (Link) 
         1983
        • "SPIEGEL: Sie kennen sicher das Lenin-Zitat: 'Die Kapitalisten werden uns auch noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen ...'
          KENDALL: ... der Spruch wird oft zitiert. Ich habe mich schon öfters bemüht, die Quelle dieses Zitats zu finden. Niemand konnte mir bisher die Quelle nennen."
          DER SPIEGEL 6/1983, 7. Februar 1983 (Link)
         1987
        • "Former Colgate Prof. Albert Parry writes in The St. Petersburg Times: 'You will not find the rope prophecy in any of the voluminous Lenin works published in the Soviet Union.' Right."
          William Safire: "Useful Idiots Of the West", NYT, 12. April 1987 (Link) 
        2008
        • "Ich kann diese Filme machen, weil ich das Glück habe, eine der wunderschönsten Schwächen des Kapitalismus auszunutzen: Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst, wenn der damit was verdient."
          Michael Moore, 14. September 2008, Telepolis (Link)
          2013
        • "Lenin said, 'The capitalists will sell us the rope with which to hang them'."
          Google
        • "Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen."
        • "Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst." 
        • "Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden."
        • "The capitalists will sell us the rope with which to hang them."
        • "We will hang the capitalists with the rope that they sell us."
        _________
        Quellen:
        Marxist Internet Archive: (Link)
        Google books, Deutsch
        Google books, English
        William Safire: "Useful Idiots Of the West", New York Times, 12. April 1987 (Link)
        Paul F. Boller jr., John George: "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions", Oxford University Press, Oxford / New York: 1989, ebook (Link)
        Wikiquote
        ______
        Dank:
        Ich danke Tobias Blanken und Joseph Wälzholzfür ihre Recherchen.


        "Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: 'Warum?' Ich wage von Dingen zu träumen, die es niemals gab, und frage: 'Warum nicht?'" Robert Browning (angeblich)

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          Book title.
          Dieses Zitat wird seit ein paar Jahren irrtümlich Robert Browning zugeschrieben; es stammt von George Bernard Shaw und wurde durch Robert Kennedy in Amerika populär.

          Der englische Dichter und Dramatiker Robert Browning hat mit diesem Zitat nichts zu tun, auch wenn es ihm wie durch ein Schneeballsystem immer öfter auf hunderten deutschsprachigen Webseiten, in unseriösen Zitatsammlungen und von Autoren wie Richard David Precht(Link)unterschoben wird.

          Ein Beispiel:
          • "Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat seinen Vorstoß für die Umwandlung der Europäischen Union in die Vereinigten Staaten von Europa gegen Kritik aus der Union verteidigt. Beim SPD-Parteitag in Berlin antwortete er den Skeptikern mit einem Zitat des englischen Dichters Robert Browning. „Ich wage von Dingen zu träumen, die es niemals gab, und frage: Warum nicht?“ Schulz fügte hinzu: 'Lasst uns in diesem Sinne die Vereinigten Staaten von Europa schaffen.'"
            Der Tagesspiegel, 8. Dezember 2017  (Link)

           Robert Kennedy, 1968
          • "George Bernard Shaw schrieb einmal: 'Es gibt Menschen, die sehen die Dinge wie sie sind und sagen, warum? Ich träume Dinge, die nie waren und sage, warum nicht?'"
            Robert Kennedy, 18. März 1968
          Das Robert-Kennedy-Shaw-Zitat ist in mehreren Versionen überliefert und wird heute oft auch ohne seine Zuschreibung an Shaw zitiert.
          • "Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: »Warum?« Ich wage, von Dingen zu träumen, die es niemals gab, und frage: »Warum nicht?«"
            Robert Kennedy, 1968
            (2008) (Link)
          Geprägt hat das Zitat ohne Zweifel George Bernard Shaw für das erste Drama seines fünfteiligen Werks "Back to Methuselah", das im Garten Eden im Jahr 4004 vor Chr. spielt. Die Schlange im Paradies sagt den fraglichen Satz zu Eva (Link).

          John F. Kennedy und Robert F. Kennedy haben bei ihren Shaw-Zitaten diesen Kontext nie erwähnt und den Satz der Schlange etwas verändert.

           

          1921, George Bernard Shaw


          • "THE SERPENT. If I can do that, what can I not do? I tell you I am very subtle. When you and Adam talk, I hear you say 'Why?' Always 'Why?' You see things; and you say 'Why?' But I dream things that never were; and I say 'Why not?'I made the word dead to describe my old skin that I cast when I am renewed. I call that renewal being born."
            George Bernard Shaw: Back to Methuselah. A Metabiological Pentateuch, 1921, Part I, Act I (Link)

          1963, John F. Kennedy

          • "George Bernard Shaw, speaking as an Irishman, summed up an approach to life, 'Other people', he said 'see things and ... say: Why? ... But I dream things that never were—and I say: why not?' ... The problems of the world cannot possibly be solved by skeptics or cynics, whose horizons are limited by the obvious realities. We need men who can dream of things that never were, and ask why not.”
            John F. Kennedy, 28. Juni 1963, Address Before the Irish Parliament in Dublin (Link)

              1968, Robert F. Kennedy

              • "George Bernard Shaw once wrote, 'Some people see things as they are and say why? I dream things that never were and say why not?'"
                Robert Kennedy, 18. März 1968, University of Kansas, Youtube 30:33

                   

                      •  
                           

                          1968, Edward Kennedy

                          •  "As he (Robert Kennedy)  said many times, in many parts of this nation, to those he touched and who sought to touch him: 'Some men see things as they are and say why? I dream things that never were and say why not?'"
                            Edward Kennedy, 8. Juni 1868, Address at the Public Memorial Service for Robert F. Kennedy, New York (Link)

                           2004, Barack Obama

                          • "In the end, that is god's greatest gift to us, the bedrock of this nation; the belief in things not seen; the belief that there are better days ahead."
                            Barack Obama,
                            24. Juli 2004, Boston (Link)
                          ________ 
                          Quellen: 
                          George Bernard Shaw: Back to Methuselah. A Metabiological Pentateuch, 1921, Part I, Act I, Project Gutenberg (Link)
                          John F. Kennedy: Address Before the Irish Parliament in Dublin, 28. Juni1963 (Link)
                          Robert F. Kennedy: Rede, University of Kansas, 18. März 1968, Tonbandaunahme, Youtube, 30:33  (Link)
                          Edward Kennedy: Address at the Public Memorial Service for Robert F. Kennedy, New York, 8. Juni 1968 (Link)
                          Ralph Keyes: "The Quote Verifier: Who Said What, Where, and When." St. Martin's Griffin, New York: 2006, S. 248 (Link)
                          Werner Katzengruber: "Einfach erfolgreich", Gräfe und Unzer, München: 2008, S. 160 (Link)
                          Wolfgang Mieder: “Yes we can”: Barack Obama’s proverbial rhetoric. Peter Lang, New York: 2009, S. 112 (Link)
                          Wikiquote (Mit einer anderen Version von Robert Kennedys Zitat.)

                          Falsche Zuschreibungen:
                          2004 (Link); Deutsch seit 2009(Link);(Link)Google 
                          Aphorismen.de
                          Zitate-online.de 
                          Richard David Precht: Vortrag zum Thema „Bildungsrevolution“, regionalWolfenbüttel.de, 29. September 2014 (Link) 
                          Iris Seidenstricker: Der kleine Taschencoach: Zufriedener arbeiten - glücklicher leben", dtv digital, München: 2016, ebook   (Link)
                          Martin Schulz, 8. Dezember 2017, Der Tagesspiegel, 8. Dezember 2017  (Link);zitiert in über 100 anderen Zeitungen: Google
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                          Dank:
                          Tobias Blanken hat mich auf dieses Zitat aufmerksam gemacht. Danke.
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                          Artikel in Arbeit.


                          "Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen." Meister Eckhart (angeblich)

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                          "And suddenly you know: It's time to start something new and trust the magic of beginnings."  Pseudo-Meister-Eckhart
                          Pseudo-Meister-Eckhart quote.
                          Dieser Spruch wird auf hunderten Webseiten, seit ein paar Jahren auch auf Englisch, dem mittelalterlichen christlichen Denker Meister Eckhart unterschoben. Der Spruch ist aber weder in seinen Schriften noch in einem seriösen Nachschlagwerk oder in einem digitalisierten Text vor dem 21. Jahrhundert zu finden.

                          Bei Google Books taucht das Zitat 2004 das erste Mal (Link) auf.

                          Das Zitat ist also ein Falschzitat. Wer es geprägt hat und durch welchen Irrtum es Meister Eckhart zugeschrieben wurde, wissen wir nicht.

                          Es ist wahrscheinlich in Anspielung auf Hermann Hesses berühmte Verszeile, "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne",  aus dessen Gedicht "Stufen", das auch in seinem Roman "Das Glasperlenspiel" enthalten ist, entstanden (Link).
                           
                          • "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
                            Der uns beschützt und der uns hilft zu leben."

                            Herman Hesse, "Stufen", 1941

                            (Link)

                          Pseudo-Meister-Eckhart quote.

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                          Quellen:
                           Google Statistik: "Ungefähr 46 400 Ergebnisse" (Die Google-Zählung ist in letzter Zeit sehr ungenau.)
                          Dieses Zitat wird in vielen unseriösen Online-Zitatsammlungen und Managementratgebern fälschlich Meister Eckhart zugeschrieben (Google), zum Beispiel in, Aphorismen.de oder  Gutezitate.de.
                          Wikipedia: "Stufen" von Hermann Hesse.
                          (Link)
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                          Dank:
                          Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses falsch zugeschriebene Zitat.

                          "Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub." Franz Kafka (angeblich)

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                          Pseudo-Franz-Kafka quote.
                          Der Stuttgarter Hirzel Verlag warb 2013 mit diesem Pseudo-Kafka-Spruch für das Buch,  "Schwarz und stark. Wie Kaffee die Gesundheit fördert"(Link)
                          Ich kann noch nicht sagen, ob der Spruch wirklich von jemandem aus dem Hirzel Verlag Franz Kafka erstmals unterschoben wurde, aber recht viel älter als vier Jahre scheint der durch unseriöse Online-Zitatsammlungen inzwischen schon weit verbreitete Spruch nicht zu sein.

                          Er ist ein Falschzitat, weil er in keinem Werk Franz Kafkas, in keinem seriösen Nachschlagwerk und in keinem digitalisierten Text vor dem 21. Jahrhundert zu finden ist.
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                          Quellen:
                          Google
                          Karen Nieber: "Schwarz und stark. Wie Kaffee die Gesundheit fördert." Hirzel, Stuttgart: 2013. Verlagsanzeige: (Link)
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                          Ich danke Nicole delle Karth für den Hinweis auf das Falschzitat.

                          "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was repräsentiert dann ein leerer Schreibtisch?" Albert Einstein (angeblich)

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                          • "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was sagt dann ein leerer Schreibtisch über den Menschen, der ihn benutzt, aus?"
                          •  "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch ein Zeichen für einen unordentlichen Geist ist, was sollen wir dann von einem leeren Schreibtisch denken?"
                          • "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch ein Zeichen für einen unordentlichen Geist ist, worauf weist dann ein leerer Schreibtisch hin?"
                          • "If a Cluttered Desk Is a Sign of a Cluttered Mind, We Can’t Help Wondering What an Empty Desk Indicates."
                          • "If a cluttered desk is a sign of a cluttered mind, of what, then, is an empty desk a sign?"
                          Das ist ein Einstein-Zitat aus dem 21. Jahrhundert, das noch niemand (Link), (Link) in einem Text von Albert Einstein gefunden hat. Es steht auch nicht in seriösen Nachschlagwerken wie in dem 'Ultimate Quotable Einstein' von Alice Calaprice.

                          Es ist also ein Falschzitat.

                          Der Witz hat sich offensichtlich aus Sprichwörtern wie, "Tidy desk, tidy mind" oder, "A disordered desk is an evidence of a disordered brain and a disordered character", entwickelt und wird manchmal gleichzeitig mit dem Aphorismus, "Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos", der auch Albert Einstein unterschoben wird, zitiert.

                          Garson O'Toole ist der englischsprachigen Vorgeschichte dieses Spruchs ausführlich nachgegangen (Link)
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                          Google
                          Barry Popik: “If a cluttered desk is a sign of a cluttered mind, of what, then, is an empty desk a sign?” 2013  (Link)
                          Garson O'Toole (Quote Investigator): "If a Cluttered Desk Is a Sign of a Cluttered Mind, We Can’t Help Wondering What an Empty Desk Indicates  Albert Einstein? Truman Twill? Lyndon B. Johnson? Laurence J. Peter? Paul A. Freund? Anonymous?" 2017 (Link)  

                          Falsche Zuschreibungen:
                          In vielen Online-Zitatsammlungen:  Google

                          "Ein Druckfehler ist wichtig, weil er den Entdecker stolz macht, dass er ihn gefunden hat." Karl Kraus

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                          Pseudo-Karl-Kraus quote.
                          Dieses Scherzlein gibt es seit 2013 als Postkarte (Link), und es hat mit Karl Kraus, dem Herausgeber und Autor der 'Fackel', gar nichts zu tun.

                          Für die Postkarte ist Thomas Howeg verantwortlich, der den Spruch vielleicht auch geprägt hat.
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                          Quellen:
                          Österreichische Akademie der Wissenschaften, AAC: DIE FACKEL von Karl Kraus (digitale Edition)
                          Edition Howeg, Zürich: 2013  (Link)
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