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"Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf seine eigenen Fakten." Daniel P. Moynihan (angeblich)

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Diese Maxime geht auf einen Satz des amerikanischen Geschäftsmannes und Politikberaters Bernard Baruch aus dem Jahr 1946 zurück und wurde in den folgenden Jahrzehnten etwas abgewandelt von James R. Schlesinger (1965), Alan Greenspan (1981), Daniel Patrick Moynihan (1988) und einigen anderen verwendet.

Verteidigungsminister Schlesinger, dem das Sprichwort manchmal zugeschrieben wird, hat ursprünglich Bernard Baruch zitiert und der New Yorker Senator Daniel P. Moynihan zitierte es als  "einfache Regel" des US-Notenbank-Chefs Alan Greenspan als Vorsitzendem einer Social-Security-Reform-Kommission.

Trotzdem wird die in vielen Sprachen sprichwörtlich gewordene Maxime meistens Daniel P. Moynihan zugeschrieben. Begonnen hat diese falsche Zuschreibung anscheinend mit einem Artikel in der New York Times vom 25. April 1989 (Link),  ein Jahr nachdem Moynihan in seinem Buch "Came the Revolution: Argument in the Reagan era" Alan Greenspans "einfache Regel" zitiert hat (Link).
 

Chronologie


1946
Bernard Baruch:
  • "Every man has the right to an opinion but no man has a right to be wrong in his facts. Nor, above all, to persist in errors as to facts."(Link)
1965
James R. Schlesinger:
  • At some point, facts also claim a place. Said Bernard M. Baruch: 'Every man has a right to his own opinion, but no man has a right to be wrong in his facts.'"
1977 
  • As former Secretary of Defense James R. Schlesinger has said, 'Each of us is entitled to his own opinion, but not to his own facts.'
1983
  • "Jeder darf seine eigene Meinung haben, aber niemand ist berechtigt, seine eigenen Fakten zu schaffen". Anonym (Link)
 1981/1988
Alan Greenspan
  • "Alan Greenspan, who chaired the commission, adopted a simple rule: Each member was entitled to his own opinion but not his own facts.(Link)
    (Commission: The National Commission on Social Security Reform, von Ronald Reagan im Dezember 1981 eingesetzt. Daniel Patrick Moynihan, 1988)
1989
Daniel Patrick Moynihan
  • "'Everybody is entitled to their own opinions, but not their own facts,' said Senator Daniel Patrick Moynihan, Democrat of New York." 
    NYT, 25. April 1989 (Link)
1996
  • "Jeder, so wusste er, hat ein Anrecht auf seine eigene Meinung, nicht aber auf seine eigenen Fakten."
2004
  • "Meine Schlussfolgerung ist: Jeder von uns, Sie, ich, Herr Rumsfeld, alle, wir haben ein Recht auf eigene Meinung, aber wir haben kein Recht auf eigene Fakten."
    (Link)
2005
  • "As the old adage says so well, we're entitled to our own opinions, we're just not entitled to our own facts."
2010
  • "Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf seine eigenen Fakten, auch nicht Frau Steinbach."  (Link)
   

Varianten

  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jede/r hat Anrecht auf eine eigene Meinung, nicht aber auf eigene Fakten."
  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung – aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jeder hat das Grundrecht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jeder darf seine eigene Meinung haben, aber niemand ist berechtigt, seine eigenen Fakten zu schaffen."
  • "Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung. Aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten!"
  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten."
  • "Everyone is entitled to their own opinions, but they are not entitled to their own facts."
  • "You are entitled to your own opinion, but you are not entitled to your own facts."
  • "You’re entitled to your own opinions. You’re not entitled to your own facts."
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Quellen:
Google
The Dictionary of Modern Proverbs. Hrsg. von  Charles Clay Doyle, Wolfgang Mieder und Fred R. Shapiro, Yale University Press, New Haven und London: 2012, S. 185.
(Baruch:) Toledo (OH) Blade, 9 October 1946, "Lie Hints He May Enter Atomic Control Dispute; U.N. Leader Indicates Action At Gathering Honoring Baruch; U.S. Delegate Defends Plan" , S. 2, col. 3:  (Link)  (Zitiert nach Barry Popik) 
Daniel P. Moynihan: "Came the Revolution: Argument in the Reagan era", Harcourt Brace Jovanovich,  San Diego, CA:  1988,  S. 159 (Link);  zitiert: (Link)
Kenneth R. Weiss: "Washington Talk; States Circle Their Wagons for the Money Wars", New York Times, 25. April 1989  (Link)
Barry Popik hat in seinem Blog 2009 die Entwicklung des Sprichworts mit vielen Varianten und bibliographischen Angaben dokumentiert.
listserv.linguistlist.org 2010
Wikiquote




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 President Roosevelt: The President's Address to Women, NYT, 28. September 1934 (Link):
  • "The number of poll-parrots in our midst is steadily declining — for which we must be very thankful. More and more men and women are looking up their own facts and forming their own opinions. And, equally important, we are learning in these days to discriminate between real news and mere rumor. As a people, we put our tongues in our cheeks when a fact or a series of facts is distorted, no matter what motive is the cause of that distortion."


    "Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen." Friedrich Nietzsche (angeblich)

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    Pseudo-Friedrich Nietzsche quote.

    Dieses bei Heilpraktikerinnen und Ärzten beliebte Pseudo-Nietzsche-Zitat ist als "Nietzsche"-Zitat  kaum zehn Jahre alt und schon weit verbreitet. Dieses  Kuckuckszitat wird immer ohne Quellenangabe aus Nietzsches Schriften zitiert und ist auch nicht in ihnen enthalten, wie man unschwer nachprüfen kann, da Nietzsches sämtliche Schriften und Briefe mehrfach digitalisiert sind.

    Entstanden könnte das Kuckuckszitat durch eine Lebensweisheit sein, die häufig Franz Kafka  unterschoben wird, aber von dem spanischen Dichter Antonio Machado stammt: "Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen".

    Twitter, 2015:




    ________

    Friedrich Nietzsche:

    "Neue Wege gehe ich, eine neue Rede kommt mir; müde wurde ich, gleich allen Schaffenden, der alten Zungen. Nicht will mein Geist mehr auf abgelaufnen Sohlen wandeln.
    Zu langsam läuft mir alles Reden: — in deinen Wagen springe ich, Sturm! Und auch dich will ich noch peitschen mit meiner Bosheit!"
    Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)

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    Google
    Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link) 
    Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)




    Frühe Zuschreibungen an Friedrich Nietzsche: 2007 (Link); 2012 Twitter; 2013 zB:  (Link)

    "Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen." Franz Kafka (angeblich)

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    Diese Lebensweisheit wird auf Englisch ("Paths are made by walking") und Deutsch im 21. Jahrhundert Franz Kafka, und in der Variante, "Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen", Friedrich Nietzsche unterschoben; sie ist auf Spanisch weit verbreitet und stammt aus dem 1912 erschienenem Lyrik-Band "Proverbios y cantares"des spanischen Dichters Antonio Machado

    In den Schriften von Franz Kafka und Friedrich Nietzsche ist dieser Satz Antonio Machados weder so noch so ähnlich zu finden.

    Der Band "Proverbios y cantares" von  Antonio Machado enthält 53 kurze Gedichte, die mit römischen Zahlen numeriert sind. Unsere Zeile steht in dem Gedicht mit der Nummer XXIX.

    Antonio Machado:"Proverbios y cantares", 1912


      XXIX
      Wanderer, deine Spuren sind
      der Weg, und sonst nichts;
      Wanderer, es gibt keinen Weg,
      der Weg entsteht im Gehen.
      Im Gehen entsteht der Weg,
      und wenn man den Blick zurückwirft,
      sieht man den Pfad, den man
      nie wieder betreten wird.
      Wanderer, es gibt keinen Weg,
      nur Kielwasser im Meer.

      XXIX
      Caminante, son tus huellas
      el camino, y nada más;
      caminante, no hay camino,
      se hace camino al andar.
      Al andar se hace camino,
      y al volver la vista atrás
      se ve la senda que
      nunca se ha de volver a pisar.
      Caminante, no hay camino,
      sino estelas en la mar."

      XXIX
      Wanderer, your footprints are
      the path, and nothing else;
      wanderer, there is no path,
      the path is made by walking.

      Walking makes the path,
      and on glancing back
      one sees the path
      that will never trod again.
      Wanderer, there is no path—
      Just steles in the sea. 

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      Screenshots, Google-Bild-Suche, April 2018:


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      Quellen:
      Die deutsche Übersetzung wird in vielen Büchern und auf einigen Webseiten zitiert, den Namen der Übersetzerin oder des Übersetzers habe ich noch nicht ermittelt. Die englische Übersetzung stammt von Betty Jean Craige.
      "Proverbios y cantares XXIX" [Proverbs and Songs 29], Campos de Castilla (1912); trans. Betty Jean Craige in Selected Poems of Antonio Machado (Louisiana State University Press, 1979) (Zitiert nach Wikipedia)

      Beispiele falscher Zuschreibungen: 2002: "Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Franz Kafka"(Link) 2007:" Paths are made by walking.  Franz Kafka"(Link); 2009:" ... German saying, commonly attributed to Kafka (but unsourced) that Wege entstehen dadurch, dass man sie geht ('Paths are made by walking')."  (Link)

       Artikel in Arbeit.

      __________
      Dank:

      Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

      ""Poesie ist wie ein Duft, der sich verflüchtigt und dabei in unserer Seele die Essenz der Schönheit zurückläßt." Jean Paul (angeblich)

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      Dieses Zitat wird seit etwa 8 Jahren dem deutschen Schriftsteller Jean Paul - immer ohne Quellenangabe - zugeschrieben, aber bis heute hat es noch niemand in einer seiner Schriften entdeckt; Jean Pauls Nachlass ist noch nicht digitalisiert, deswegen kann man eine späteren Fund nicht völlig ausschließen, auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist, weil ihm das Zitat erst seit so kurzer Zeit unterschoben wird.

      Ohne Zuschreibung an Jean Paul taucht das Zitat  laut Google-Books-Suche erstmals als anonymes  Motto in dem Lyrikband "Zweiminuten-Terrine" der jungen Dichterin Lisa-Marie Kuich auf (Link).

      Seit 2010 wird mit diesem Kuckuckszitat regelmäßig der Welttag der Poesie am 21. März gefeiert.



       2010, Twitter:





       

      2014, Twitter: 






      2015, Twitter:




       2018, Twitter:



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      Quellen:
       Lisa-Marie Kuich: Zweiminuten-Terrine, Papierfresserchens MRM Verlag, Bodolz: 2008, Motto, S. (6)  (Link):"Für Irena Spangehl / .. denn Poesie ist der Duft, der sich verflüchtigt und dabei in der Seele die Essenz des Schönen zurücklässt ... "
      Falsche Zuschreibungen, zum Beispiel:   (Link) (Link); oe1.orf.at/programm/20140321/345224  
      __________
      Entwicklung:
      1861: Leopold Dules:  "Das Innere der Poesie ist der Duft der Rose, der empfunden aber nicht definiert werden kann." Ben Chananja. Wochenblatt für jüdische Theologie, Nr. 7, Szegedin 15. Februar 1861, S. 54 (Link)  

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      Dank:
      Ich danke Markus Bernauer, dem Leiter der Jean Paul Edition der Berlin-Brandenburgischen  Akademie der Wissenschaften, für seine Auskunft.


       

      "Jede kleine Ehrlichkeit ist besser als eine große Lüge." Leonardo da Vinci (angeblich)

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      Das ist eine problematische Übersetzung eines Satzes aus den Notizbüchern Leonardo da Vincis. Da Vinci schreibt von einer kleinen Gewissheit ("piccola certezza"), nicht von einer kleinen Ehrlichkeit, die besser als eine große Lüge sei.

      Leonardo da Vinci:

      • "L'uomo ha grande discorso, del quale la più parte è vano e falso; gli animali l'han no piccolo, ma è utile e vero. È meglio la piccola certezza che la grande bugia."(Link)

         

          Übersetzungsvarianten:

      • "Der Mensch hat viel Überlegung, von welcher der größte Teil hohl und falsch ist; die Tiere haben sie gering, doch ist sie nützlich und tüchtig: besser die kleine Gewißheit als die große Lüge. 1904 (Link)  
      • "Der Mensch hat ein großes Urteilsvermögen, aber es ist meistens eitel und falsch. Die Tiere haben es in geringem Maße, aber dieses geringe (Urteilsvermögen) ist nützlich und richtig, und die geringe Gewißheit ist doch besser als der große Trug." 1954, S.114 (Link)
      • „Obwohl der Mensch mit der Gabe der Sprache gesegnet ist, nutzt er sie zum großen Teil ohne Sinn und falsch. Tiere haben nur eine reduzierte Sprache, setzen sie aber nützlich und ehrlich ein, und ein geringeres aber wahres Wissen ist besser als eine große Lüge.“ (Leonardo da Vinci, Notizbücher, um 1500) 2007, S. (Link)
      •  "Man has much power of discourse which for the most part is vain and false; animals have but little, but it is useful and true, and a small truth is better than a great lie." (Link)""
      • "Men talk largely and most of it is pointless and incorrect. Animals on the other hand speak but little. What they say is useful and true. Thus a small certainty is better than a big lie. (Link)
      • "Die Mitteilungsmöglichkeit des Menschen ist gewaltig, doch das meiste, was er sagt, ist hohl und falsch. Die Sprache der Tiere ist begrenzt, aber was sie damit zum Ausdruck bringen ist wichtig und nützlich. Jede kleine Ehrlichkeit ist besser als eine große Lüge. 2014  (Link) 

      ________Marie Herzfeld: "Leonardo da Vinci, der Denker, Forscher und Poet", E. Diederichs, Leipzig: 1904, S. 123
      Jürgen von Stackelberg: "Italienische Geisteswelt: von Dante bis Croce", Holle: 1954, S. 114 (Link)
      Aline Krüger: Leonardo da Vonic Zitate. Books on Demand. Norderstedt: 2014, S. 175 (Link)


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      Artikel in Arbeit-


      When Leonardo styles himself an omo sanza lettere he is being sardonic about his lack of formal education, but he is not devaluing himself. On the contrary, he is stating his independence. He is proud of his unletteredness: he has achieved his knowledge by observation and experience rather than receiving it from others as a pre-existent opinion. Leonardo is a ‘disciple of experience’, a collector of evidence – ‘better a small certainty than a big lie’.70 He cannot quote the learned experts, the retailers of ipse dixit wisdom, ‘but I will quote something far greater and more worthy: experience, the mistress of their masters’. Those who merely ‘quote’ – in the sense of follow or imitate as well as cite – are ‘gente gonfiata’: they are, literally, puffed or pumped up by second-hand information; they are ‘trumpeters and reciters of the works of others’.71



      70. F 96V. Cf. E 55r: ‘My intention is first to record the experience and then by means of reason show why it must be so.’
      71. CA 323r/117r-b, one of a series of texts headed ‘Proemio’ (‘Preface’), written c. 1490 (PC 1.109). His views are summed up by one of the empiricist mottos of the Royal Society: ‘Nullius in verba’ – ‘Take no man’s word for it.’


      "Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber." Bertolt Brecht (angeblich)

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       Dieses Sprichwort taucht erstmals 1874 auf einem Schweizer Stimmzettel auf, was von vielen Zeitungen damals amüsiert berichtet wurde und der Witz ist nachweislich auch um 1918 und später weit verbreitet.


      Neues Fremden-Blatt, Abendausgabe, Wien, 27. Mai 1874, S. 2.

      Der Spruch wird in den letzten Jahrzehnten irrtümlich oft Bertolt Brecht und manchmal auch Wilhelm Busch oder Heinrich Heine zugeschrieben.
      Pseudo-Bertolt-Brecht quote.


      Varianten:

      • "Nur die allerdümmsten Kälber // wählen ihren Schlächter selber."
      • "Nur die allergrößten Kälber wählen ihre Metzger selber."
      • "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber."
      • "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber." 

      Bertolt Brecht spielt in dem "Kälbermarsch", seiner Parodie des Horst-Wessel-Liedes in dem 1943 entstandenen Drama "Schwejk im 2. Weltkrieg", auf das Sprichwort an.

       

      Bertolt Brecht

      • "Hinter der Trommel her
        Trotten die Kälber
        Das Fell für die Trommel
        Liefern sie selber.
        Der Schlächter ruft:
        Die Augen fest geschlossen
        Das Kalb marschiert.
        In ruhig festem Tritt.
        Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen
        Marschiern im Geist in seinen Reihen mit."
        _____





      _______
      Quellen:
      Google 
      Bertolt Brecht: Stücke. Band 10 – Stücke aus dem Exil: Schweyk im zweiten Weltkrieg; Der kaukasische Kreidekreis; Die Tage der Commune. Suhrkamp, Frankfurt am Main: (1957) 1959, S. 103
      Neues Fremden-Blatt, Abendausgabe, Wien, 27. Mai 1874, S. 2 


      __________
      Dank:
      Ich danke Christian Seidl und Wolfgang Gruber für ihre Hinweise auf den Schweizer Stimmzettel.

      "Wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander spielen sie Mozart." Isaiah Berlin (angeblich)

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      Dieses Lob Mozarts stammt von dem Schweizer Theologen Karl Barth, der es in einem "Dankbrief an Mozart" für eine Umfrage der  "Luzerner Neuesten Nachrichten" am 21. Januar 1956 erstmals publiziert hat. Dieser "Dankbrief" ist in Karl Barths kleinem Mozart-Buch von 1956 wieder abgedruckt.

      Der britische Philosoph Isaiah Berlin, dem dieses Mozart-Lob manchmal zugeschrieben wird,  hat diesen Spruch einmal ohne Hinweis auf Karl Barth zitiert ("It is said that the angels .."), aber er hat ihn nicht geprägt.
      Pseudo-Isaiah-Berlin quote.

        Karl Barth, Dankbrief an Mozart:

        • "Wie es mit der Musik dort steht, wo Sie sich jetzt befinden, ahne ich nur in Umrissen. Ich habe die Vermutung, die ich in dieser Hinsicht hege, einmal auf die Formel gebracht: ich sei nicht schlechthin sicher, ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach spielen — ich sei aber sicher, daß sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen und daß ihnen dann doch auch der liebe Gott besonders gerne zuhört."
          Karl Barth: "Dankbrief an Mozart", Basel, 23. Dezember 1955 (Aus der Umfrage der 'Luzerner Neuesten Nachrichten', 21. Januar 1956) in: Karl Barth: "Wolfgang Amadeus Mozart  1756/1956", EVZ Verlag, Zürich: 1956 (7. Auflage 1967), S. 13

        Isaiah Berlin

          • "Isaiah Berlin, an English political scientist, once wrote, "It is said that the angels, when they play for God, play Bach, but when they play for each other, they play Mozart."
            Michael Samuel Aurelius: "High On Mozart", Chicago Tribune, 9. November 1993 (Link)
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          Quellen:
          Google
          Karl Barth: "Dankbrief an Mozart", Basel, 23. Dezember 1955 (Aus der Umfrage der 'Luzerner Neuesten Nachrichten', 21. Januar 1956) in: Karl Barth: "Wolfgang Amadeus Mozart  1756/1956", EVZ Verlag, Zürich: 1956 (7. Auflage 1967), S. 13
          Michael Samuel Aurelius: "High On Mozart", Chicago Tribune, 9. November 1993 (Link)
          Time, 1962 (Link)

          „Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir Psalm 23 Vers 4 gab." Immanuel Kant (angeblich)

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          Seit 120 Jahren suchen Kant-Spezialisten vergeblich nach dem Ursprung dieses Zitats in den Schriften und Briefen Immanuel Kants. Der Philosoph Hans Vaihinger publizierte im ersten Band der "Kantstudien" 1897 eine Umfrage, woher dieses Zitat, das durch Erbauungsliteratur seit etwa 1870 verbreitet wird, stammen könnte:

           
          Kantstudien, Band 1, 1897, S. 156

          Inzwischen sind sämtliche Texte Immanuel Kants digitalisiert und weder in seinen noch in zeitgenössischen Texten ist dieses Zitat zu finden. Es ist also ein Kuckuckszitat, das über 60 Jahre  nach Kants Tod entstanden ist. Wer es geprägt hat, ist unbekannt, da noch Quellen vor 1870 gefunden werden könnten.

          Dieses Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat wird im Internet hauptsächlich durch protestantische, aber auch durch katholische Sprüche- und Predigtsammlungen verbreitet.


          1874
          • "Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir das Wort in der Bibel Ps 23, 4 gab: ob ich schon wanderte im finsteren Thal, fürchte ich kein Unglück, denn Du, Herr, bist bei mir.(Link)
          1935
          • "Und Kant: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir Psalm 23 Vers 4 gab.'"(Link)
          2011
          • "Kein Geringerer als Immanuel Kant schreibt zu Psalm 23, den man auch das protestantische Ave Maria genannt hat: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir diesen Trost nicht gegeben, den mir dieses Wort der Bibel gab.'"(Link)
          2014
          • "Der große Philosoph Immanuel Kant soll folgendes festgestellt haben: "Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still und froh gemacht hätte wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: 'Du bist bei mir!'“ (Link)
          2015
          • "Mit dem Psalmisten beten wir: 'Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.' Dem Philosophen Immanuel Kant wird dazu ein tiefgründiges Bekenntnis in den Mund gelegt: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir dies Wort der Bibel gab.'"(Link)
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          Quellen:
          Google
          "Kantstudien." Herausgegeben von Hans Vaihinger, Erster Band, Verlag von Leopold Voss, Hamburg und Leipzig: 1897, S. 156 (Link)
          Christofer Frey: "Hat sich Kant jemals auf den Psalm 23 bezogen und den hohen Wert der vier Wörter "du bist bei mir" hervorgehoben?" 2002 (Link).
          Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg 
          Erstmals zugeschrieben: 
          Alice Salzbrunn:  "Das Wort Gottes in Zeugnissen von Theologen, Philosophen und Dichtern."(EA 1870, Leipzig) 2. Auflage, Friese, Berlin: 1874, S. 56 (zitiert nach Vaihinger) 


          "Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen." Albert Einstein (angeblich)

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          Dieses Zitat ist eine Paraphrase eines Satzes, den Albert Einstein am 30. März 1953 für eine Publikation zu Ehren des Cellisten Pau (Pablo) Casals, dem er persönlich nie begegnet war, verfasst hat; das entstellte Zitat ist wahrscheinlich aus einer Rückübersetzung aus dem Englischen entstanden.

          Einsteins Worte über Pablo Casals wurden zuerst auf Französisch publiziert, dann auf Englisch und erst später auf Deutsch.

          Der auf der ganzen Welt bewunderte Katalane Pau Casals weigerte sich ab 1933 in Hitler-Deutschland zu musizieren und trat gegen das Franco-Regime in Spanien auf.

          Im Original lautet der Satz:
          • Pablo Casals "hat klar erkannt, dass die Welt mehr bedroht ist durch die, welche das Übel dulden oder ihm Vorschub leisten, als durch die Übeltäter selbst."
            Albert Einstein, 1953
          Daraus entstand im Lauf der Zeit die plakative, unsinnige Formulierung: "Die Welt wird nicht bedroht, von Menschen, die böse sind ..."(Link)



          Albert Einstein, Typoskript, 30. März 1953


          Albert Einstein, Typoskript, 30. März 1953, Einstein Archive, © The Hebrew University of Jerusalem.

          • "Die Wertschätzung Pablo Casals(') als grossen Künstler braucht fürwahr nicht auf mich zu warten, denn hierin herrscht Einstimmigkeit unter den Auguren. Was ich aber an ihm besonders bewundere, ist seine charaktervolle Haltung nicht nur gegen die Unterdrücker seines Volkes, sondern auch gegen alle diejenigen Opportunisten, die immer bereit sind, mit dem Teufel zu paktieren. Er hat klar erkannt, dass die Welt mehr bedroht ist durch die, welche das Uebel dulden oder ihm Vorschub leisten, als durch die Uebeltäter selbst.
            Princeton N.J.  / 30. März 1953                  Albert Einstein."
          • "It is certainly unnecessary to await my voice in acclaiming Pablo Casals as a very great artist, since all who are qualified to speak are unanimous on this subject. What I particularly admire in  him is the firm stand he has taken, not only against the oppressors of his countrymen, but also against those opportunists who are always  ready to compromise with the Devil. He perceives very clearly that the world is in greater peril from those who tolerate or encourage  evil than from those who actually commit it."
            Albert Einstein, 30. März 1953, übersetzt von Andre Mangeot.

           Varianten des entstellten Einstein-Zitats:

          • "The world is a dangerous place to live, not because of the people who are evil, but because of the people who don't do anything about it."
          • "The world is a dangerous place, not because of those who do evil, but because of those who look on and do nothing."
          • "The world will not be destroyed by those who do evil, but by those who watch them without doing anything."
          • "Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen."
          • "Die Welt ist viel zu gefährlich, um darin zu leben - nicht wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen der Menschen, die daneben stehen und sie gewähren lassen."
          • "Die Welt ist nicht gefährlich wegen denen, die Schlechtes tun, sondern wegen denen, die zusehen und machen lassen."
           
          Entstelltes Albert-Einstein-Zitat.

            Entstelltes Albert-Einstein-Zitat.

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            Quellen:
            Albert Einstein: Typoskript, Princeton, 30. März 1953,  Einstein Archive 34 - 347, The Hebrew University of Jerusalem
            Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011, S. 115f. (Link)
            Josep Maria Corredor: "Conversations avec Pablo Casals: Souvenirs et opinions d'un musicien Pablo Casals". Éditions Albin Michel, Paris: 1955, S. 15 (Link)
            Josep Maria Corredor: "Conversations with Casals." With an Introduction by Pablo Casals and an appreciation by Thomas Mann. Übersetzt von Andre Mangeot, Dutton, New York: 1957, S. 11
            Wikiquote
            Juttas Zitateblog 2011 (Link)
            Die entstellte Version des Zitats ist weit verbreitet und in vielen Zitatsammlungen zu finden (Google).
             
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            Dank:
            Ich danke Orith Burla Barnea vom Einstein Archiv und der Hebrew University of Jerusalem für die Erlaubnis, das Original-Typoskript Albert Einsteins hier wiedergeben zu dürfen.

              "Fuer Deutschland wuensche ich mir eine eurasisch-negroide Zukunftsrasse unter Fuehrung der Juden". Richard Coudenhove-Kalergi (angeblich)

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              Pseudo-Coudenhove-Kalergi quote.

              Dem Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Coudenhove-Kalergi, wird von rechten Hobby-Historikern unterstellt, durch "Rassenmischung" und "Bevölkerungsaustausch" einen "Genozid an Weißen" geplant zu haben: in diesem geheimen "Kalergi-Plan" wäre ein Europa unter jüdischer Führung vorgesehen (Link).
               
              Diese Unterstellungen werden durch falsche Zitate und falsche Paraphrasierungen von Zitaten sowie mit  dümmlichen Herabsetzungen ("Buch des kriminellen Mischlings Kalergi: Praktischer Idealismus") begründet (Link).

              In der Tat träumte der Pazifist Coudenhove-Kalergi nach dem Ersten Weltkrieg in dem 1920 verfasstem und 1922 erstmals publiziertem Buch "Adel" von einer im Entstehen begriffenen neuen Elite Europas, die sich angeblich aus altem "Blutadel" und jüdischem "Hirnadel" herausbilde.

              Für Coudenhove-Kalergi waren Demokratien Übergangsformen zu neuen Staatsgebilden, die von neuen pazifistischen Eliten geführt werden. Für seine Typologien von Stadtmensch und Landmensch verwendet Coudenhove-Kalergi auch rassistisches Vokabular, das durch Arthur de Gobineau und Friedrich Nietzsche verbreitet wurde.

              • "Von der europäischen Quantitätsmenschheit, die nur an die Zahl, die Masse glaubt, heben sich zwei Qualitätsrassen ab: Blutadel und Judentum. Voneinander geschieden, halten sie beide fest am Glauben an ihre höhere Mission, an ihr besseres Blut, an menschliche Rangunterschiede. In diesen beiden heterogenen Vorzugsrassen liegt der Kern des europäischen Zukunftsadels: im feudalen Blutadel, soweit er sich nicht vom Hofe; im jüdischen Hirnadel, soweit er sich nicht vom Kapital korrumpieren ließ."
                Richard Coudenhove-Kalergi: "Adel", S. 35  (Link);"Praktischer Idealismus", S. 45 (Link)
              Aus der Prognose Coudenhoves-Kalergis, die Menschen werden einander in ferner Zukunft durch Vermischung immer ähnlicher, unterschieben Hobby-Historiker Coudenhove-Kalergi einen Plan, um diese Prognose bald zu verwirklichen.
              • "Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äußerlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen."
                Richard Coudenhove-Kalergi: "Adel", S. 17 (Link); "Praktischer Idealismus", S. 22 (Link)

               Jürgen Langowski hat schon vor Jahren die falschen Quellenangaben zu dem Zitat: "Fuer Deutschland wuensche ich mir eine eurasisch-negroide Zukunftsrasse unter Fuehrung der Juden", aufgedeckt (Link).

              Dieses Kuckuckszitat wurde wahrscheinlich in den 1990er-Jahren im Umkreis des rechtsextremen Thule-Netzes erlogen und wird seither von einigen schlecht Informierten für wahr gehalten.

              Varianten des Pseudo-Coudenhove-Kalergi-Zitats:





              Pseudo-Coudenhove-Kalergi quote.

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               Quellen:
              Richard Nicolaus Coudenhove-Kalergi: "Adel". Verlag der Neue Geist/ Dr. Peter Reinhold, Leipzig: 1922, S. 17, S. 35 (Link), (Link)
              Richard N. Coudenhove-Kalergi: "Praktischer Idealismus: Adel - Technk - Pazifismus", Paneuropa Verlag, Wien - Leipzig: 1925, S. 22, S. 45 (Link)
              Jürgen Langowski: "Herr Kleinsorg und die Bücherkiste Ein Mann packt aus. Oder ein. Je nachdem"miscelle.de
              Vanessa Conze: "Richard Coudenhove-Kalergi: umstrittener Visionär Europas." Muster-Schmidt, Gleichen/ Zürich: 2004
              (Link)

              Beispiele für die Verschwörungstheorien:
              Michael Mannheimer: "Der Kalergi-Plan zur Ausrottung der weissen Rasse mit einer Weltregierung jüdischer Zionisten" 2017 (Link)
              "Der Kalergi-Plan zur Ausrottung der weissen Rasse mit einer Weltregierung jüdischer Zionisten"(Link).Übersetzung von Plan Kalergi, metapedia, Spanisch

              Artikel in Arbeit.

              "Wer eine gute, verständige und schöne Frau sucht, sucht nicht eine, sondern drei." Oscar Wilde (angeblich)

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              Dieser blöde Spruch taucht erst hundert Jahre nach Oscar Wildes Tod in den digitalisierten Texten auf.

              Da ich ihn - wie zu erwarten - weder auf Deutsch noch auf Englisch in einem Text Oscar Wildes gefunden habe und auch in keinem seriösen Nachschlagwerk, ist das Zitat wohl ein typisches Kuckuckszitat aus dem 21. Jahrhundert.

              Dieser inzwischen im Internet durch diverse unseriöse Zitatsammlungen schon weit verbreitete misogyne Zynismus wird auch immer ohne Quellenangabe zitiert.


              Pseudo-Oscar-Wilde quote.
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              Quellen:
              Ralph Keyes: "The Wit and Wisdom of Oscar Wilde", Harper Collins Publishers, New York: 2009
              Google
              Beispiele für falsche Zuschreibungen:
              gutezitate.com/zitat/173669
              zitate-online.de
              gutzitiert.de
              aphorismen.de/zitat/70176
              zitatekiste.com

              Frühe Belege für das Falschzitat:
              2004: www.chefkoch.de/forum/
              2005: de.fitness.com/forum

              "Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Schlechten." Platon (angeblich)

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              Pseudo-Plato quote.
              In den Werken von Platon ist dieses Zitat nicht zu finden; es stammt so ähnlich aus den Enneaden des Neuplatonikers Plotin, der 600 Jahre nach Platon gelebt hat. 

              In dem Kapitel "Vorsehung" des 3. Buchs der Enneaden schreibt Plotin von den Schwachen, die nicht auf Hilfe der Götter rechnen sollten, wenn sie zu feige sind, sich gegen Tyrannen aufzulehnen. 


              Plotin, Enneaden, III, 2, 8


               Ἄρχουσι δὲ κακοὶ ἀρχομένων ἀνανδρίᾳ  

              Árchousi dé kakoí archoménon anandría
              (Link)


              • "Dominatur vero mali ignauia subditorum". (Link)
              • "Les méchants ne dominent que par l'effet de la lâcheté de ceux qui leur obéissent". (Link)   
              • "The wicked rule because of the cowardice of the ruled".  Richard Rawles
              • "Bad men rule by the feebleness of the ruled". (Link)
              • "Es herrschen aber die Schlechten durch das unmännliche Wesen der Beherrschten."(Link)
              • "Scheuen die Guten den Kampf, so siegen die Schlechten." Christoph Eucken  (Link)
              •  "Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Schlechten."  (Plato und Plotin zugeschrieben) (Link)(Link)
              Aus diesen Übersetzungen sind dann wahrscheinlich folgende Aphorismen entstanden, die meistens ohne Bezug auf Plotin zitiert werden:

              • "Evil will win if good men do nothing".
              • "Evil will win if good people do nothing".
                _______
              Quellen:
              Plotini. Platonicorum facile coryphaei. "Operum philosophicorum omnium". libri LIV: in sex enneades distributi /. ex antiquiss[imis] codicum fide nunc primùm Graecè editi, übersetzt und kommentiert von Marsilij Ficini. Basileae: Ad Perneam Lecythum: 1580, S. 262 (Link)
              "Delphi Complete Works of Plotinus" - Complete Enneads (Illustrated), Übersetzung: Stephen MacKenna, Delphi Publishing Ltd, Hasting: 2105, ebook (Link)
              Rudolf Eucken: "Die Lebensanschauungen der grossen Denker". Zwölfte Auflage. Verlag Von Veit u. Comp., Leipzig 1918, S. 126 (Link);   (Link); 1905: (Link)
              Plotin: "Enneaden" (Vollständige deutsche Ausgabe) Übersetzer: Hermann Friedrich Müller, (EA 1878) e-artnow: 2017,  S. 116  (Link)
              Plotin: "Enneaden", III, 2. Buch: Von der Vorsehung, 8, Die Enneaden. Band 1, Übers.:  Hermann Friedrich Müller, Berlin 1878 (Zeno.org)
              Plotin: "Les Ennéades de Plotin", III, 2 "De La Providence", 8, Tome deuxième, Übersetzung: M.-N. Bouillet. Librairie de L. Hachette et C., Paris: 1859, S. 43 (Link)
              Garson O'Toole (Quote Investigator):"The Only Thing Necessary for the Triumph of Evil is that Good Men Do Nothing. John F. Kennedy? Edmund Burke? R. Murray Hyslop? Charles F. Aked? John Stuart Mill?" 2010 (Link)
              Deutsches Soldatenjahrbuch 1959, S. 15  (Link)
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              Dank:

              Ich danke Ralf Bülow für seinen Hinweis auf die Enneaden sehr (Link) und auch Richard Rawles für seinen Übersetzungsvorschlag.

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              Artikel in Arbeit.
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              Plotin: Enneaden III, 2, "Von der Vorsehung", 8:
              "Denn aus Kriegen, sagt das Gesetz, müssen diejenigen gerettet werden, die sich tapfer zur Wehre setzen, nicht die, welche beten."
              Übersetzung von Hermann Friedrich Müller, 1878


              1822
              • "Zu einem fürchterlichen Grade müßte das Böse anwachsen, wenn die Guten nicht hemmend, hindernd, dagegen kämpften."(Link)
              "The year 1952 is crucial — a year in which honest men, capable of rebuilding the Nation's sagging character, must be chosen for positions of public trust. Plato said: "The penalty good men pay for indifference to public affairs is to be ruled by evil men." And Edmund Burke's trite saying is equally pertinent to the present American crisis: "All that is necessary for the triumph of evil is that good men do nothing."   (Link)


              Des griechischen Philosophen Plotins Wort (aus dem Jahre 205 unserer Zeitrechnung): „Wenn die Guten nicht kämpfen, so siegen die Schlechten", wird gefährdet durch diese Verharmlosung, diese aus Friede
              Plotin, 1956 (Link)

              "Wenn sich Banker treffen, reden sie über Kunst. Wenn sich Künstler treffen, reden sie über Geld." Oscar Wilde (angeblich)

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              Pseudo-Oscar-Wilde quote.

              Dieses Zitat wird Oscar Wilde 80 Jahre nach seinem Tod erstmals zugeschrieben und ist weder in seinen Werken noch in seriösen Zitatsammlungen zu finden. 

              Der Aphorismus geht wahrscheinlich - wie Garson O'Toole herausgefunden hat - auf einen ähnlichen Ausspruch des finnischen Komponisten Jean Sibelius zurück, in dem ursprünglich nicht von Bankern oder Bankdirektoren die Rede ist, sondern von Geschäftsleuten. Er wäre lieber mit Geschäftsleuten zusammen, behauptete Sibelius halbernst, als mit Künstlern, weil Künstler nur über Geld redeten, steht in einer Sibelius-Biographie aus dem Jahr 1938.

              Aus dieser Bemerkung entstand im Lauf der Zeit der Witz, mit Bankdirektoren ließe sich besser über Musik oder Kunst diskutieren als mit Künstlern, und dieser Witz wird heute in verschieden Versionen abwechselnd Oscar Wilde oder Jean Sibelius unterschoben.
              Entstelltes Jean-Sibelius-Zitat.



              1938
              • "Sibelius considers artists, their eccentricities and pettinesses, with  a humorous understanding. One day he said: 'It is so difficult to mix with artists! You must choose business men to talk to, because artists only talk of money.'" Törne, S. 97 (Link)
              1947
              • "Sibelius is reported to have said on his 80th birthday, " If you want to discuss art you must talk to men of business. Artists only discuss money." Lonon Musical Digest, S. 121 (Link)
               
              1983:
              • "'When bankers get together they talk about art, and when artists get together they talk about money. ' Oscar Wilde" Hali, S. 408 (Link)
              1984:  
              • "'When bankers get together they talk about art. And when artists get together, they talk about money,' Oscar Wilde once said."  Casewit, S. 115 (Link)

              1990
              • "Wenn Banker zusammenkommen, reden sie über Kunst, wenn sich Künstler treffen, reden sie über Geld. (Oscar Wilde)." Buchkultur, S. 15  (Link)
               1995
              • "You can only talk about music to bank directors. Artists talk only about money. —Jean Sibelius"  American Speaker, S. 7 (Link)
              2009
              • "Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren reden. Künstler reden ja nur von Geld. Jean Sibelius"  (Link)
              2012
              • "Wenn sich zwei Banker treffen, sprechen sie über Kunst, begegnen sich zwei Künstler, reden sie über Geld". Oscar Wilde (nachgesagt) (Link)
              2016
              • "'Treffen sich zwei Banker, reden sie über Kunst. Treffen sich zwei Künstler, reden sie über Geld', sagte Oscar Wilde. "magazin.raiffeisen.it 

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              Quellen:
              Ralph Keyes: "The Wit and Wisdom of Oscar Wilde", Harper Collins Publishers, New York: 2009
              Bengt de Törne: "Sibelius: A Close-Up", Houghton Mifflin Company, Boston: 1938, S. 94 (Link)
              London Musical Digest, Issues 2-8, 1947, S. 121 (Link)
              Curtis W. Casewit: Making a Living in the Fine Arts: Advice from the Pros, Collier Books: 1984, S. 115 (Link)
              Hali, The International Magazine of Antique Carpet and Textile Art, Band 6, Oguz Press: 1983, S. 408 (Link)
              American Speaker: Your Guide to Successful Speaking Georgetown Publishing House, 1995, S. 7 (Link)
              Garson O'Toole, 2016 listserv.linguistlist.org

              Hans Werner Wüst: "Zitate u. Sprichwörter" , Bassermann, München: 2010 ebook (Link)
              Michael Brückner: "Die besten Zitate aus Wirtschaft und Management: Mehr als 500 prägnante Sprüche. Geistreich und kurios." humboldt EBook, Hannover: 2009 (Link)
              Peter Bendixen, Ullrich H. Laaser (Hrsg.): "Geld und Kunst — Wer braucht wen?" Leske + Budrich, Opladen: 2000, S. 13  (Link)
               magazin.raiffeisen.it  2016 


              ____
              "There is only one class in the community that thinks more about money than the rich, and that is the poor. The poor can think of nothing else. That is the misery of being poor." Oscar Wilde

              "Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben." Oscar Wilde (angeblich)

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              Der zweite Teil des Aphorismus ("everyone else is already taken") stammt aus einer unbekannten Quelle aus dem Jahr 1999, wie Garson O'Toole herausfand (Link), und wurde ein paar Jahre später Oscar Wilde unterschoben, der erste Teil ("Be yourself") ist eine alte Maxime, die vielleicht auf Sophokles zurückgeht und in der Weltliteratur oft bekräftigt wurde, zum Beispiel von Friedrich Nietzsche, Henrik Ibsen und auch von Oscar Wilde selbst, in seinem einst viel bewunderten Essay "Der Sozialismus und die Seele des Menschen".

              Sophokles

              • "So sei du selbst und, was du sinnst und tust, Verflucht, dreimal verflucht bis in den Tod! Nie blühe dir der Vaterfreude Segen! Zeugst du dem Fluch zum Trotz dir einen Sohn".
                Laios, in:
                "Dramen des Sophokles", Erster Band, "Laios", Vorspiel zu dem "König Oidipus" des Sophokles, übertragen von Walther Amelung, Eugen Diederichs, Jena: 1916, S. 13

              Friedrich Nietzsche

              • "Der Mensch, welcher nicht zur Masse gehören will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge seinem Gewissen, welches ihm zuruft: 'sei du selbst! Das bist du alles nicht, was du jetzt thust, meinst, begehrst.' Jede junge Seele hört diesen Zuruf bei Tag und bei Nacht und erzittert dabei; denn sie ahnt ihr seit Ewigkeiten bestimmtes Maass von Glück, wenn sie an ihre wirkliche Befreiung denkt: zu welchem Glücke ihr, so lange sie in Ketten der Meinungen und der Furcht gelegt ist, auf keine Weise verholfen werden kann."
                Friedrich Nietzsche: "Schopenhauer als Erzieher"§ 1, 1874 (Link)

               Henrik Ibsen

              •  "Und insoferne nennt Ibsen in 'Peer Gynt' den Grundsatz: 'Sei Dir selbst genug' den der Trolle, dem er den der Menschen gegenüberstellt: 'Sei Du selbst'."
                Alfred Markowitz: "Die Weltanschauung Henrik Ibsens", Xenien Verlag: 1913, S. 182 (Link)

               Oscar Wilde

              • "‘Know thyself’ was written over the portal of the antique world. Over the portal of the new world, ‘Be thyself’ shall be written. And the message of Christ to man was simply ‘Be thyself.’ That is the secret of Christ."
                Oscar Wilde: "The Soul of Man under Socialism", 1891 (Link)
              • "»Erkenne dich selbst,« stand über dem Portal der antiken Welt zu lesen. Über dem Portal der neuen Welt wird stehen: »Sei du selbst.« Und die Botschaft Christi an den Menschen lautete einfach: »Sei du selbst.« Das ist das Geheimnis Christi. Wenn Jesus von den Armen spricht, meint er einfach Persönlichkeiten, gerade wie er, wenn er von den Reichen spricht, einfach Leute meint, die ihre Persönlichkeit nicht ausgebildet haben."
                Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen"(Link)
              • "Was Jesus gemeint hat, ist folgendes. Er sagte dem Menschen: »Du hast eine wundervolle Persönlichkeit. Bilde sie aus. Sei du selbst. Wähne nicht, deine Vollkommenheit liege darin, äussere Dinge aufzuhäufen oder zu besitzen. Deine Vollkommenheit ist in dir. Wenn du die nur verwirklichen könntest, dann brauchtest du nicht reich zu sein. Der gemeine Reichtum kann einem Menschen gestohlen werden. Der wirkliche Reichtum nicht. ..."
                Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen"(Link) 

              Varianten des Kuckuckszitats:

              • "Be yourself; everyone else is already taken."
              • "Sei Du selbst, alle anderen gibt es schon."
              • "Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben." 
              Pseudo-Oscar-Wilde quote.


              ______
              Quellen:

              Garson O'Toole (Quote Investiagtor): "Be Yourself. Everyone Else Is Already Taken. Oscar Wilde? Thomas Merton? Gilbert Perreira? Menards? America Ferrera? Apocryphal? Anonymous?" 2014 (Link)
              Frühe deutschsprachige Zuschreibung an Oscar Wilde:
              Peter Fauser: "Woran Schulen denken sollten, wenn sie sich „auf den Weg“ machen", ILS Mail, Ausgabe 1/08, Jg. 7, Innsbruck: 2008  (pdf)
              2008: Elisabeth Bonneau: "Der große GU Knigge, Gräfe und Unzer Verlag, München: 2008, S. 140 (Link)
              Frühe englischsprachige Zuschreibungen an Oscar Wilde:   
              Aug 25, 2006 at 10:50pm, "Best Kiss"(Link)
              October 07, 2006, 07:48:50 pm (susans.org/forums)

              "Dramen des Sophokles", Erster Band, "Laios", Vorspiel zu dem "König Oidipus" des Sophokles, übertragen von Walther Amelung, Eugen Diederichs, Jena: 1916, S. 13
              Alfred Markowitz: "Die Weltanschauung Henrik Ibsens", Xenien Verlag: 1913, S. 182 (Link)
              Friedrich Nietzsche: "Schopenhauer als Erzieher" (1874), Nietzsche Werke, Kritische Studienausgabe, 3. Abteilung - 1. Band, Die Geburt  der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen I-III (1872-1874), herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari,  Walter de Gruyter, Berlin/ New York, dtv München: Neuausgabe 1999, S. 338 (Link)
              Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen."Übersetzt von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer, (EA 1904), Verschollene Meister der Literatur, Band 2 , Karl Schnabel Verlag, Berlin: 1928 (Link)Übersetzung von Edward Viesel: "Die Seele des Menschen im Sozialismus",   2012 (Link)
              Oscar Wilde: "The Soul of Man under Socialism" (1891), "The Artist as Critic: Critical Writings of Oscar Wilde". Edited by Richard Ellmann. Random House, New York: 1969 (Link)
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              "Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn." Erasmus von Rotterdam (angeblich)

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              Sprichwort, das Erasmus von Rotterdam einem lesefaulen Dummkopf in den Mund legt.

              Dieses Zitat ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch falsches Zitieren die Aussage eines Autors verdreht werden kann. Das Zitat erweckt den Eindruck, Erasmus von Rotterdam habe vor zu viel Lektüre gewarnt. Das Gegenteil ist der Fall: er hat Nichtleser verspottet und Priester und Laien aufgefordert, mehr zu lesen.

              Erasmus von Rotterdam legt dieses Sprichwort einem lesefaulen, dümmlichen Mann in den Mund, der sich wundert, dass in der Wohnung einer gebildeten Frau Bücher herumliegen und sie sogar lateinische und klassische griechische Literaur liest.

              Erasmus von Rotterdam, der Zeitgenosse von Christoph Kolumbus, Martin Luther und Niccolò  Machiavelli, kannte gelehrte Männer und gelehrte Frauen in London und Paris und zählte zur Minderheit der Philosophen, die gebildete Frauen gegen dümmliche Männervorurteile verteidigte.

              Erasmus von Rotterdam, "Der Abt und die gebildete Frau", 1524:


              "Magdalia:
              Und für mich soll es unpassend sein, daß ich Latein lerne, um täglich mit so vielen Autoren Zwiesprache zu halten, so beredten, gebildeten, vernünftigen und treuen Ratgebern?
              Antronius:
              Die Bücher nehmen den Frauen viel von ihrer Hirnsubstanz, von der sie ohnehin zu wenig haben.  
              Magdalia:
              Wieviel ihr Männer davon habt, weiß ich nicht. Ich möchte jedenfalls das wenige, das ich habe, lieber bei guten Studien verwenden als für das sinnlose Herunterleiern von  Gebeten, für nächtelange Gelage und das Leeren mächtiger Humpen.  
              Antronius:
              Der innige Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. (Übersetzungsvariante: Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn.)
              Magdalia:
              Und  dich bringt das Palaver mit deinen Saufbrüdern, Witzbolden und Hanswürsten nicht um den Verstand?
              Antronius: O nein, das vertreibt die Langeweile."

              Erasmus von Rotterdam: "Der Abt und die gebildete Frau", 1524, übersetzt von Kurt Steinmann, S. 145
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              Der Abt Antronius verbietet in der Satire "Der Abt und die gebildete Frau" seinen Mönchen Bücher zu lesen, weil sie sonst nur aufmüpfig werden könnten und ist auch stolz, selbst nichts zu lesen. 

              Die schlagfertige Magdalia widerspricht dem einfältigen Abt so eloquent, dass er am Ende des kurzen Dialogs wie ein Esel dasteht, an den übrigens auch sein Name erinnert. Der "Esel von Antron" war in der Antike die allgemein bekannte Bezeichnung für eine gefährliche Klippe in der Nähe von Antron. 

              Dieses vergnügliche 2-Personen-Dramolett aus dem Renaissance-Bestseller "Colloquia familiaria" ("Vertrauliche Gespräche") wirkt auch 500 Jahre nach seinem Erscheinen noch wie ein modernes, feministisches Drama, in dem der Mann blöd und die Frau klug ist.


              So falsch es wäre, das Götz-Zitat einfach als "Goethe-Zitat" zu bezeichnen, nur weil Goethe dessen Autor ist, so falsch ist es, dieses Antronius-Zitat einfach als Erasmus-von-Rotterdam-Zitat zu verbreiten.

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              Quellen:
              Erasmus of Rotterdam: "The Abbot and the learned Woman", in "The Whole Familiar Colloquies of Desiderius Erasmus of Rotterdam". Übersetzt von Nathan Bailey, Hamilton, Adams und Co., London: 1877, S. 193-196  (Link)
              Erasmus von Rotterdam: "Der Abt und die gebildete Frau", 1524, in: Erasmus von Rotterdam: "Vertrauliche Gespräche". Übersetzt und herausgegeben von Kurt Steinmann, Diogenes Verlag, Zürich: 2000, S. 140-148 
              Desiderius Erasmus of Rotterdam: "COLLOQUIA FAMILIARIA. Vertraute Gespräche."Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Werner Welzig (= Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Werner Welzig, Band 6), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt: 1967
              Erasmus von Rotterdam: "Gespräche". Übersetzt von Hans Trog,  Benno Schabe u. Co.: 1936 (Link)

              Beispiele für falsche Zuschreibungen:
              Google
              aphorismen.de/zitat/70839
              gutzitiert.de/
              zitate.eu
              gutezitate.com/zitat/133582

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              Dank:
              Ich danke MR und KMB von den Büchereien Wien für den Hinweis auf dieses schiefe Zitat.


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              Artikel in Arbeit











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              Erasmus von Rotterdam: "Abbatis et eruditae"




              Magdalia: Et mihi putas indecorum, si discam Latine, ut quotidie confabuler cum tot auctoribus, tam facundis, tam eruditis, tam sapientibus, tam fidis consultoribus.
              Antronius: Libri adimunt multum cerebri foeminis, cum alioqui parum illis supersit.
              Magdalia: Quantum uobis supersit, nescio; certe mihi quantulumcunque est, malim in bonis studiis consumere, quam in precibus sine mente dictis, in pernoctibus conuiuiis, in exhauriendis capacibus pateris.
              Antronius: Librorum familiaritas parit insaniam.
               Magdalia: An colloquia combibonum, scurrarum et sannionum tibi non pariunt insaniam?
              Antronius: Imo depellunt taedium. 

               ____

              Magdalia:   And  you  think  it  unsuitable  for  me  to  know  Latin  in  order  to  converse  daily  with  authors  so  numerous,  so  elo- quent, so learned, so wise, with counsel- lors so faithful? Antronius:  Books ruin women’s wits—which  are none too plentiful anyway. 
              Magdalia:   How  plentiful  yours  are,  I  don’t  know.  Assuredly  I  prefer  to  spend  mine,  however slight, on profitable studies rather  than on prayers said by rote, all-night par - ties, and heavy drinking. 
              Antronius:  Bookishness drives people mad. 
              Magdalia:   The  company  of  boozers,  fools,  and jesters doesn’t drive you mad? Antronius:  Not at all. It relieves boredom.



              __
              Ja, meint der Abt, aber die Bücher nehmen das Gehirn der Frauen so in Anspruch, daß ihnen wenig mehr davon übrigbleibt. Magdalis: Wie viel euch übrigbleibt, weiß ich nicht, doch will ich das meine, so klein es sein mag, lieber auf gute Studien verwenden, als auf gedankenlose Lippengebete, übernächtige Gelage und das Leeren von Riesenbechern. Antronius: Der Verkehr mit Büchern führt zum Wahnsinn!Mit ungeheuerer Mühe erwirbt man sich die Gelehrsamkeit und dann muß man doch sterben! Den Aeußerungen kindischer Beschränktheit und eines halsstarrigen Bildungshaffes erwidert die Frau stets sehr glücklich, wenn auch mitunter sehr grob, verweist auf gelehrte fromme Frauen und auf Italien und Spanien, wo es deren viele gebe, endlich auf England und Deutschland, wo wenigstens ein Anfang gemacht sei. Einst war es auch eine Seltenheit, fügt sie boshaft hinzu, einen ungelehrten Abt zu finden, jetzt gibt es nichts häufiger. Wenn Ihr so fortfahrt, so werden eher die Gänse zu predigen anfangen, als daß sie Euch stumme Priester ertragen. 

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              Magdala. Und für mich soll es unpassend sein, daß ich Latein lerne, um täglich mit so manchem Autor, so beredten, gelehrten, weisen, treuen Beratern Zwiesprache zu halten? Antronius. Die Bücher nehmen den Frauen viel von ihrem Hirnschmalz, von dem sie ohnehin zu wenig haben. Magdala. Wieviel Ihr davon besitzt, weiß ich nicht; jedenfalls will ich das, was mir beschert ist, lieber bei guten Studien aufbrauchen als bei sinnlos hergesagten Gebeten, nächtlichen Schmausereien und dem Leeren tüchtiger Humpen. Antronius. Der Verkehr mit den Büchern macht stumpfsinnig. Magdala. Und die Unterhaltungen der Zechgenossen, der Possenreißer und Hansnarren sollen nicht stumpfsinnig machen? Antronius. O nein, die vertreiben die Langeweile.  
              Erasmus von Rotterdam, Übersetzer: Hans Trog, 1936 (Link)
               
              Erasmus für die Bildung von Frauen: (Link)



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              The following dialogue is part of Erasmus’s colloquy The Abbot and the Learned Lady (first published in 1524). The abbot Antronius is ridiculed by an educated and astute woman named Magdalia:
              Magdalia: If you’re not careful, the net result will be that we’ll preside in the theological schools, preach in the churches, and wear your mitres.
              Antronius: God forbid!
              Magdalia: No, it will be up to you to forbid. But if you keep on as you’ve begun, geese may do the preaching sooner than put up with you tongue-tied pastors. The world’s a stage that’s topsy-turvy now, as you see. Everyone must play his part or—exit.
              Antronius: How did I run across this woman? When you come calling on us, I’ll treat you more politely.
              Magdalia: How?
              Antronius: We’ll dance, drink as much as we please, hunt, play games, laugh.
              Magdalia: For my part, I feel like laughing even now.
              The entire colloquy constitutes a plea for a humanist education of women. At the same time it satirizes the decadence among clergymen. The abbot’s name, Antronius, hints at the proverbial "donkey from Antron"

              "Ein Mann soll in seinem Leben einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und einen Sohn zeugen." Martin Luther (angeblich)

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              Das alte Sprichwort wird neben einigen anderen auch manchmal Martin Luther zugeschrieben, ist aber in seinen Schriften nicht gefunden worden.

              Der Ursprung des Sprichworts steht in zwei Quellen: im Babylonischen Talmud und in Montesquieus Briefroman "Persische Briefe".

              Babylonischer Talmud, Traktat Sota

              • "Unsere Rabbanan lehrten: 'Der gebaut hat, der gepflanzt hat, der verlobt hat.' Die Tora lehrt damit eine Lebensregel, daß der Mensch zuerst ein Haus baue, einen Weinberg pflanze und erst dann eine Frau nehme."
                Talmud, Traktat Sota VIII
                Fol. 44a, übersetzt von Lazarus Goldschmidt, S. 152f. (4016f.) (Link)
              • "Our Rabbis taught: [The order of the phrases is] 'that hath built', 'that hath planted', 'that hath betrothed'. The Torah has thus taught a rule of conduct: that a man should build a house, plant a vineyard and then marry a wife."
                 Babylonian Talmud: Tractate Sotah Folio 44a (Link)

              Montesquieu: "Persische Briefe"


              Montesquieus Briefroman "Persische Briefe" ist eine Sammlung von 161 Briefen rund um die fiktiven persischen Reisenden USBEK und RICA aus Isfahan während ihres Aufenthalts in Europa in den Jahren 1711 bis 1720.

               
              In dem Briefwechsel geht es um den fremden, muslimisch-orientalischen Blick auf die christliche Gesellschaft Europas, es geht um Liebe, Freiheit, Eitelkeit, Religion, Inquisition, Ehe- und Haremsprobleme, Könige und Parlamente.

              Die 1721 anonym in Amsterdam erschienene, unterhaltsame Korrespondenz traf einen Nerv der Zeit und wurde durch diverse Übersetzungen in ganz Europa einer der großen Bestseller der Aufklärung.

              • USBEK an RICA

                "Daß die alten Könige von Persien so viele Untertanen hatten, verdankten sie nur jener Glaubenslehre der Religion der Magier, die Gott wohlgefälligsten Handlungen der Menschen seien: ein Kind zu zeugen, einen Acker zu bestellen und einen Baum zu pflanzen."

                Persische Briefe, 119. Brief, Paris, den 4ten des Mondes Rhamazan 1718  (Link)
              • USBEK AU MÊME.

                "Les anciens rois de Perse n’avoient tant de milliers de sujets qu’à cause de ce dogme de la religion des mages, que les actes les plus agréables à Dieu que les hommes pussent faire, c’étoit de faire un enfant, labourer un champ, et planter un arbre."

                "Lettres persanes", Lettre CXX, De Paris, le 4 de la lune de Rhamazan 1718(Link)
              •  USBEK to the same.
                "The ancient kings of Persia had such an immense number of subjects, simply because of that dogma of the Magian religion which declares that the deeds of men most acceptable to God are to beget a child, to till a field, and to plant a tree."


                "The Persian Letters", Letter 120
                (Link);
                (Link)
              Das Sprichwort wurde in England zum Beispiel von David Hume verbreitet, in Deutschland durch einen Brief Heinrich von Kleists, in dem er seiner Verlobten Wilhelmine von Zenge erklärt, dass er nach dieser Weisheit gerne leben und einen Bauernhof in der Schweiz kaufen möchte. (Seine Verlobte war von diesem Plan nicht begeistert.)
              • "To plant a tree, to cultivate a field, to beget children; meritorious acts, according to the religion of Zoroaster." 
                David Hume: An Enquiry Concerning Human Understanding
                , 1748 (Link)

              • "Unter den persischen Magiern gab es ein religiöses Gesetz: ein Mensch könne nichts der Gottheit wohlgefälligeres tun, als dieses, ein Feld zu bebauen, einen Baum zu pflanzen, und ein Kind zu zeugen. Das nenne ich Weisheit, und keine Wahrheit hat noch so tief in meine Seele gegriffen, als diese."
                Heinrich von Kleist an
                Wilhelmine von Zenge, Paris, 10. Oktober 1801 (Link)

              In Amerika wurde das Sprichwort aus Montesquieus 'Persischen Briefen' bald verändert: 1758 kam als vierter Punkt "ein Schiff beladen" dazu, 1793 sollte ein Mann neben Baum pflanzen, Haus bauen und Kind zeugen auch ein Buch schreiben. Der Autor erinnerte sich nicht mehr, wo er das Sprichwort gelesen hatte.

               1758
              • "That article in the •religion of the Magi, that the most pleasing actions to God which man could do, was to get a child, to manure a field, and to plant a tree; and we may add a fourth axiom, to load a ship." 
                New American Magazine in Newspaper Extracts (I) 
                4200, Four Things necessary to make a man T51 (Link)

              1793 
              • "It is said by somebody (I forget who) that 4 things are necessary to make a man: 1. That he should plant a tree. 2. That he should write a book. 3. That he should get a child. 4. That he should build a house."  
                Belknap Papers 2.330, Four Things necessary to make a man T51 
                (Link)
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              1991
              • "The Talmud (a Jewish collection of teachings) says a person should do three things in the course of life: have a child, plant a tree, and write a book."(Link)

              1997
              •  "The Chinese say that you have to have a child, plant a tree, and write a book, in order to have fulfilled your life."
              2002
              • "It was José Martí who said that to be a man you have to have a child, plant a tree, and write a book. (Link)
               
                Das Sprichwort ist inzwischen in einigen Varianten verbreitet und wird - immer ohne Quellenangaben - Chinesen, Picasso und einigen anderen unterschoben. 
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                Bartlett Jere Whiting: "Early American Proverbs and Proverbial Phrases", The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge Ma/ London: 1977, T51, S. 434 (Link)
                Lazarus Goldschmidt: "Der Babylonische Talmud". Nach der ersten zensurfreien Ausgabe von Daniel Bomberg aus dem Jahr 1523 unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materialien neu übertragen. 12 Bände, Berlin: 1929-1936, Band VI, o. J., "Der Traktat Sota. Von der Ehebruchsverdächtigen",  Sota VIII Fol. 44a, S. 152f. (4016f.) (Link)
                "Montesquieu's Persische Briefe". Deutsch von Adolf Strodtmann. Einleitung von Adolf Stern, Verlag von Albert Eichhoff, Berlin: 1866, S. 217  (Link)
                David Hume: "Essays. Moral, Political, and Literary". Hrsg. von T.H. Green und T.H. Grose, Longmans, Green, and Co., London: 1875, S. 177 
                Wikipedia

                Luther zugeschrieben, zum Beispiel: ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2848611895442472;  Picasso: (Link)


                Artikel in Arbeit.
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                Dank:
                Die Hinweise von Wikipedia-AutorInnen waren wieder einmal sehr hilfreich.

                "Jeder Tag ist eine neue Chance, das zu tun, was du möchtest." Friedrich Schiller (angeblich)

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                Pseudo-Friedrich-Schiller quote.

                Dieses Zitat wird erst seit ein paar Jahren Friedrich Schiller unterschoben, ist aber in der kurzen Zeit schon recht erfolgreich und dient sogar einer'Schillerschule' in Deutschland und einer internationalen Schule in der Schweiz als Motto.

                Vor dem Jahr 2014 habe ich dieses Friedrich-Schiller-Kuckuckszitat in den digitalisierten Texten so wenig gefunden wie in den Schriften Friedrich Schillers.

                Viele Varianten dieses Zitats sind international als Motivationsspüche sehr beliebt, haben aber alle nichts mit Friedrich Schiller zu tun.


                1884
                • "Every day is a new chance for a fresh start. Let us bear in mind the homely adage, — 'If you've forgotten to bo good, and taken up with sinning. Begin again, begin again, all life is but beginning!" Let us remember that though.'"(Link)
                1919
                • "Every day is a new chance at life, a new chance at our job, a chance to correct our mistakes and blunders."(Link)
                1985
                • "Everyday is a new opportunity. Every success, every joy, and every adversity provides substance with which to grow." Peter Ways (Link)
                1998
                • "every day is a new chance to change your mind and start over."(Link)

                2000
                • "Inspiriert von New-Age-Autoren wie dem Psycho-Guru Wayne Dyer, verschickte Rijkaard einst aufrüttelnde Privatpost: 'Jeder Tag ist eine neue Chance. Sei zufrieden mit dir selbst.'"   (Link)
                2001
                • "Jeder Tag ist eine neue Chance. Sich ein Leben lang in Selbsthass zu verzehren hilft niemandem." (Link)
                2003
                • "lhr Lebensmotto?/ Lebe jeden Tag bewußt und nütze alle Möglichkeiten, die sich für einen neuen Anfang bieten! Jeder Tag ist eine neue Chance, um etwas aus seinem Leben zu machen!"  (Link)
                --
                2016
                • "'Jeder Tag ist eine neue Chance, das zu tun, was du möchtest.' Friedrich Schiller"(Link)

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                Motivationssprüche


                • "Everyday is a new chance to be great. Let’s be great."
                • "Everyday is a new chance to become better."
                • "Everyday is a new chance to be a better person, to do good and correct past mistakes."
                • "Everyday is a new chance to make history."
                • "Everyday is a new chance to show the world your brilliance and make it a better place. Be awesome today!"  
                • "Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden." Mark Twain (angeblich)
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                Quellen:
                Google
                Google
                Beispiele für frühe falsche Zuschreibung an Friedrich Schiller:
                Nadine Grubenmann: "Ausgewählte Weisheiten, Zitate und Sprichworte aus aller Welt: Inkl. Bauernregeln und einigen Eselsbrücken", BoD - Books on Demand, Norderstedt: 2016, S. 74
                Schillerschule Griesheim.de
                Lycée international de Ferney-Voltaire, Deutsche Abteilung, Jahrbuch 2016, S. 5  espace.cern.ch
                lebens-zitate.de
                zitate.woxikon.de

                Beispiel für eine falsche Zuschreibung an Mark Twain:
                motivate-yourself.de

                Artikel in Arbeit.

                "Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden." Mark Twain (angeblich)

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                Dieses Pseudo-Mark-Twain-Zitat ist weder in seriösen Nachschlagwerken, noch in den digitalisierten Texten vor dem 21. Jahrhundert zu finden. Es kommt auch nicht bei Wikiquote vor, und ist also aller Wahrscheinlichkeit nach ein im 21. Jahrhundert erfundenes Kuckuckszitat eines anonymen Autors oder einer anonymen Autorin, das durch unseriöse Zitatsammlungen verbreitet wird.

                Viele Motivationssprüche aus dem 21. Jahrhundert werden berühmten Autoren unterschoben._____
                Quellen:
                 Google books
                Früheste Zuschreibung an Mark Twain in Google books:
                Bernhard Müller: "Wisdom from the Monastery: A Program of Spiritual Healing", Konecky & Konecky, Old Saybrook: 2004, S. 289 (Link)

                Frühe Zuschreibungen im Usenet:
                2003: (Link)
                2005: (Link)
                2009: (Link); (Link)

                "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bißchen betrunken." Thomas Bernhard (angeblich)

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                Dieser in Österreich populäre Witz ist in den Schriften Thomas Bernhards nicht zu finden, auch wenn im 'Standard' im Februar 2011 zu lesen war, dies sei sein "berühmtestes Zitat". Angefangen hat die falsche Zuschreibung an Thomas Bernhard anscheinend im Oktober 2009 mit einem anonymen Poster im 'Standard'-Forum.  Inzwischen hat es das Kuckuckszitat in den "Spiegel" und auf Wikipedia geschafft.


                Foto: Wikipedia.


                Der Punschkrapfen als Metapher entstand in den 1970er Jahren in Kärnten und sollte urspünglich die Mentalität von Kärntnern verspotten, die 1944 den prozentuell höchsten Anteil an NSDAP-Mitgliedern aller österreichischen Bundesländer hatten und in den 1970er Jahren mehrheitlich sozialdemokratisch wählten.
                •  "Was ist Kärnten? Antwort: Ein Punschkrapferl, außen rosa, innen braun und immer unter Alkohol."(Link)
                •  "Was unterscheidet einen Kärntner von einem Punschkrapfen? Nichts! Beide sind außen rosa, innen braun und immer ein bisserl angesoffen.(Link)
                  Erstmals öffentlich erwähnt hat dieses "traurige Bonmot", das ihm ein "lieber Freund" erzählt hatte,  meines Wissens der Psychiater Erwin Ringel bei einem Vortrag zur "Kärntner Seele" im Jahr 1985.


                  1985
                  • "Es waren in dieser Zeit in fast allen Bundesländern 14 Prozent der Bevölkerung nationalsozialistisch organisiert, in Kärnten aber 38 Prozent! Kann man dazu sagen: Ach was, vergangen ist vergangen? Wie sieht denn die Lage heute aus? Ein lieber Freund hat dazu folgende Bemerkung gemacht: Sie kennen wahrscheinlich diesen 'Scherz' oder dieses traurige Bonmot: Ich wiederhole es trotzdem: 'Was ist Kärnten? Antwort: Ein Punschkrapferl, außen rosa, innen braun und immer unter Alkohol.' In dieser extremen Formulierung stimmt natürlich auch diese Aussage nicht. Aber eines muß man mit aller Deutlichkeit sagen: Die Freiheitliche Partei Österreichs kann, selbst wenn sie in allen Ländern ihre Mandate verlieren sollte, doch in Kärnten mit hundertprozentiger Sicherheit auf ihr Grundmandat rechnen."
                    Erwin Ringel, 1985
                    (Link)

                  Sieben Jahre später hat Robert Menasse den Punschkrapfen ("außen rosa, innen braun") zum Symbol für das gesamte Österreich der Zweiten Republik erklärt (Link) und zwanzig Jahre nach Thomas Bernhards Tod (er starb 1989) ist daraus im 21. Jahrhundert ein Thomas-Bernhard-Kuckucks-Zitat entstanden.


                  2006
                  • "PUNSCHKRAPFERLN »Außen blaßrot, innen braun und immer besoffen.« Die aus Biskuit und rumgetränkten Backwerkresten hergestellte, mit Zuckerglasurmasse überzogene Süßspeise gilt als Synonym für das typische SPÖ-Stimmvieh in Kärnten und der Steiermark."  (Link)

                   2007
                  • "Mit der fetten rosa Köstlichkeit wird gerne das Wesen des Österreichers beschrieben: „Außen rot, innen braun und immer etwas angsoffen." Was insoferne etwas ungerecht ist, als der Punschkrapfen an Wochenenden nicht mit seinem Untersatz von Disco zu Disco rast, um den Blutzoll unter Österreichs Landjugend zu erhöhen.(Link)
                  Der große österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard hatte bekanntlich nur wenig für seine eigene Heimat übrig. Unzählige literarische und verbale Angriffe auf Österreich sind überliefert. Sein berühmtestes Zitat nimmt sich dem Nationalismus seiner Landsleute an. "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken." - derstandard.at/1297819165332/Rezension-Ein-Punschkrapfen-zu-viel
                  Der große österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard hatte bekanntlich nur wenig für seine eigene Heimat übrig. Unzählige literarische und verbale Angriffe auf Österreich sind überliefert. Sein berühmtestes Zitat nimmt sich dem Nationalismus seiner Landsleute an. "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken." - derstandard.at/1297819165332/Rezension-Ein-Punschkrapfen-zu-viel
                  Der große österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard hatte bekanntlich nur wenig für seine eigene Heimat übrig. Unzählige literarische und verbale Angriffe auf Österreich sind überliefert. Sein berühmtestes Zitat nimmt sich dem Nationalismus seiner Landsleute an. "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken." - derstandard.at/1297819165332/Rezension-Ein-Punschkrapfen-zu-viel

                  2009
                  • "Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bißchen betrunken. (Thomas Bernhard)" (Erstmals Thomas Bernhard unterschoben) (Link)

                  2011
                  • "Der große österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard hatte bekanntlich nur wenig für seine eigene Heimat übrig. Unzählige literarische und verbale Angriffe auf Österreich sind überliefert. Sein berühmtestes Zitat nimmt sich dem Nationalismus seiner Landsleute an. 'Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken.'"(Link)

                   2012
                  • "Punschkrapferl:
                    Ursprünglich eine Süßspeise mit signifikantem Anteil an Inländer-Rum, diente das P. – »außen blassrot, innen braun und immer besoffen«– zur abschätzigen Bezeichnung der typischen SPÖ-Wählerschaft in Kärnten.
                    "
                    Astrid Wintersberger: "Der kleine Wappler: So flucht und schimpft Österreich"
                    (Link)
                  2013
                  • "Und daher entstand auch der Kalauer vom Punschkrapfen, einer beliebten österreichischen Mehlspeise mit Rumhaltiger Füllung, als Symbol für den Charakter manch Ewiggestriger in Kärnten – »außen rosa, innen braun und immer ein wenig betrunken«. "
                    (Link)

                    --

                    SPD-Radieschen, "Außen rot und innen weiß"


                    In der Weimarer Republik wurden Sozialdemokraten von Kommunisten als "Radieschen" (außen rot und innen weiß) verhöhnt. Das Radieschen als Metapher für Pseudorevolutionäre ist seit 1919  nachweisbar und wurde durch Kurt Tucholskys Gedicht "Feldfrüchte" (1926) allgemein bekannt. 

                    Kurt Tucholsky:

                                        Feldfrüchte

                    Sinnend geh ich durch den Garten,
                    still gedeiht er hinterm Haus;
                    Suppenkräuter, hundert Arten,
                    Bauernblumen, bunter Strauß.
                    Petersilie und Tomaten,
                    eine Bohnengalerie,
                    ganz besonders ist geraten
                    der beliebte Sellerie.
                    Ja, und hier –? Ein kleines Wieschen?
                    Da wächst in der Erde leis
                    das bescheidene Radieschen:
                    außen rot und innen weiß.

                    Sinnend geh ich durch den Garten
                    unsrer deutschen Politik;
                    Suppenkohl in allen Arten
                    im Kompost der Republik.
                    Bonzen, Brillen, Gehberockte,
                    Parlamentsroutinendreh ...
                    Ja, und hier –? Die ganz verbockte
                    liebe gute S.P.D.
                    Hermann Müller, Hilferlieschen
                    blühn so harmlos, dof und leis
                    wie bescheidene Radieschen:
                    außen rot und innen weiß.
                    Theobald Tiger, "Die Weltbühne",  Nr. 38, 21. September1926, S. 470  (Link)
                    -

                    Ich bin mir deswegen sicher, dass das Punschkrapfen-Zitat in den Schriften Thomas Bernhards nicht gefunden wird, weil auch Kolleginnen und Kollegen aus der Thomas-Bernhard-Forschung, die sämtliche seiner digitalisierten und nicht-digitalisierten Texte kennen, schon lange vergeblich danach gesucht haben und weil es ihm erst 20 Jahre nach seinem Tod erstmals zugeschrieben wurde.

                    Der Witz stammt von einer unbekannten Person aus den 1970er Jahren und wurde - so wie viele Witze - im Lauf der Jahrzehnte variiert. Erstmals dokumentiert hat den Witz der Psychiater Erwin Ringel, weiter erzählt haben ihn zum Beispiel Robert Menasse und Andrea Maria Dusl, aber nicht Thomas Bernhard.

                    Ob der Punschkrapfen-Vergleich wirklich aus dem Radieschen-Vergleich der Weimarer Zeit enstanden ist, weiß ich nicht.
                    __________
                    Quellen:
                    Erwin Ringel: "Die Kärntner Seele" (Nach einem Vortrag, gehalten am 15. September 1985 in Keutschach, ergänzt während der Jahre 1986 und 1988), in: E.R.: "Die Kärntner Seele: mit Darstellungen aus Literatur und bildender Kunst", herausgegeben von Franz Witzeling mit Beiträgen von Josef Strutz und Arnulf Rohsmann, Hermagoras Verlag, Klagenfurt/ Wien: 1988, S. 12 (Link)
                    profil, Band 19, 1988, S. 91 (Link)
                    "Kärntner Jahrbuch für Politik 2004", herausgegeben von Karl Anderwald, Peter Filzmaier und Karl Hren, Kärntner Druck und Verlagsgesellschaft, Klagenfurt: 2004 S. 99 (Link)
                    Robert Menasse: "Die Vollendung des Fragments. Zur Aktualität der 'Katzenmusik' von Gerhard Fritsch". Literatur und Kritik Heft 263/264, Otto Müller Verlag, Salzburg: 1992, S. 19f. (Link);(Link) 
                    Andrea Maria Dusl: "Die österreichische Oberfläche: Österreich findet am Übergang zwischen Innen und Aussen statt", Residenz Verlag: 2007, S. 113  (Link)
                    Gerhard Vogl: "Wort-Gefechte: Sprachliche Gemeinheiten aus Politik, Kunst, Wirtschaft u. Sport", Kremayr u. Scheriau, Wien: 2013 ebook (Link)
                    Astrid Wintersberger: "Der kleine Wappler: So flucht und schimpft Österreich", Residenz Verlag, St. Pölten/ Salzburg/ Wien: 2012 ebook  (Link)
                    Günter Traxler: "Die Hatz auf das Punschkrapferl", Der Standard, 7. Februar 2005  (Link)
                    "Salzburger Chronik", Nr. 162, 18. Juli 1919, S. 5 (Link)    
                    Kurt Tucholsky: Gedichte in einem Band, Insel Verlag, Frankfurt am Main/ Leipzig: 2006, S. 626 (Link);  (Link)
                     
                    Fälschlich Thomas Bernhard zugeschrieben:


                    Erstmals: Anonym: 26. Oktober 2009, 13:42:24, lehmannsbruder, Der Standard Forum, (Link) (auch andere Zitate in diesem Posting sind falsch zugeschrieben)
                    Anonym:  20. Dezember 2010 16:47, Die Presse, Forum (Link)
                    Armand Feka: "Ein Punschkrapfen zu viel", Der Standard, 28. Februar 2011 (Link)
                    Michael Sauga: "Die Lage", Morning Briefing, Der Spiegel, 29. April 2016  (Link)
                    Quotez (Link) (zugeschrieben)
                    Wikipedia (mit Thomas-Bernhard-Kuckuckszitat): "Punschkrapfen" 

                    univie.ac.at/elib/index.php?title=Literatur:Zitate_rund_um_Oesterreich
                    austrians.org/magazin/article/3.154.560

                    _____
                    Dank:
                    Ich danke Hanno Biber (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Academiae Corpora) für seine Auskunft zu Thomas Bernhard und für seinen Hinweis auf Kurt Tucholsky.

                    Artikel in Arbeit.

                    "Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen." Kurt Tucholsky (angeblich)

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                    Distorted Kurt Tucholsky quote.
                    Dieses seit 40 Jahren äußerst beliebte Tucholsky-Zitat ist die verkürzte und entstellte Version eines Aphorismus von Kurt Tucholsky, den er zusammen mit einem Dutzend anderen Aphorismen unter dem Pseudonym Peter Panter mit dem Titel "Schnipsel" 1932 in der 'Weltbühne' publiziert hat.

                    Kurt Tucholsky, 1932

                    • "Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: 'Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!'– Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen." 

                    Peter Panter: "Schnipsel", Die Weltbühne, XXVIII. Jahrgang, Nummer 10, 8. März1932,  S. 378

                    Varianten des entstellten Tucholksy-Zitats:

                     

                    • "Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen."
                      "Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auf 35 Jahre schlecht machen." 
                      "Experience means nothing. One can do his tasks badly for 35 years."
                      "Experience means nothing. You can do something badly for 35 years."
                      "experience means nothing: you can also do something wrong for 35 years".  
                    • "Experience means nothing. You can do the same thing at thirty-five and still do it bad."
                    Distorted Kurt Tucholsky quote.
                    _________
                    Quellen:
                    Kurt Tucholsky (Peter Panter): "Schnipsel", Die Weltbühne, XXVIII. Jahrgang, Nummer 10, 8. März 1932,  S. 378
                    Laut Google books erstmals entstellt zugeschrieben:
                    Ulrich Helfenstein: "150 Jahre Staatsarchiv, 1837-1987", in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1988. S. 4-30, S. 29 (Link)
                    Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

                    Google
                    Dudenredaktion: "Duden", Band 12, "Zitate und Aussprüche: Herkunft, Bedeutung und aktueller Gebrauch, 7500 Zitate von der klassischen Antike bis heute", 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, Duden, Berlin: 2017, S. 728  (Link)
                    Das enstellte Tucholsky-Zitat wird vom "Duden" sowie von fast allen unseriösen Zitatsammlungen verbreitet, zum Beispiel von:
                    Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Hrsg.): "Zitate für Manager: Über 2.600 Sinnsprüche, die Ihre Botschaft auf den Punkt bringen", 4. korrigierte Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden: 2018, S. 83 (Link)
                    Zitate-online.de
                    kurt-tucholsky.info
                    beste-zitate.de
                     
                    _______
                    Dank:
                    Ich danke Friedhelm Greis für seine Dokumentation der falschen Tucholsky-Zitate in seinem Sudelblog.

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